Berlinale-Standbild (Teil 6): Wim Wer?

Warum steht Wim Wenders bei der Berlinale in einer Reihe mit Stummfilmen von 1923? Wobei: Wer Kinder hat, lernt, wie schnell etwas alt ist.

Für die einen ein Highlight, für die anderen eine Sichtblockade: Regisseur Wim Wenders und Fotografin Donata Wenders bei der Berlinale 2010 Foto: reuters

Berlinale Classics 2018“ heißt eine Reihe der 68. Filmfestspiele. Bei dieser „Retrospektive und Hommage“ feiern sieben restaurierte Filme Weltpremiere – darunter Werke aus den 20er, 50er und 60er Jahren, aber auch Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“ von 1987.

Das lässt mich schaudern – Retrospektive? Restaurierungsbedürftige Filmklassiker? 1987 – das war doch quasi gestern, okay, vorgestern, die Mauer stand ja noch. Und jetzt steht Wim Wenders schon in einer Reihe mit Stummfilmen von 1923?

Allerdings: Die Berlinale-Rezeption meiner Tochter und ihrer Freundinnen in den vergangenen Jahren hat mich schon lernen lassen, wie schnell etwas alt ist. Stunden verbrachten die Mädchen als 14- und 15-Jährige am Roten Teppich, um dort Prominenz zu bejubeln, deren Namen mir nichts sagten: DarstellerInnen aus Serien und Shows von TV-Sendern, deren Programm Menschen in meinem Alter nichts anzubieten hatte, Stars mit eigenen YouTube- oder Sonstwas-Kanälen, kaum älter als meine Tochter und ihre Freundinnen selbst. Ältere Herrschaften dagegen schienen meiner Tochter und ihrer Gang vor allem beim Blick auf die eigentlichen Stars des Festivals im Weg zu stehen. Warum – das war bei der Berlinale 2011 – Menschen angesichts einer kleinen, etwas pummeligen älteren Dame auf dem Roten Teppich in begeisterte „Isabella!“-Rufe verfielen, konnte meine Tochter, damals 14, erst nachvollziehen, als ich ihr erklärte, dass die Rossellini einst ein Topmodel war.

Wim Wenders, der meiner Tochter am Berlinale-Teppich auch mal die Sicht auf ihre Stars versperrte, hat solche Karriere-Elemente nicht zu bieten. Und ihr die Bedeutung dieses Regisseurs über seine Filme nahezubringen wagte ich nicht, nachdem ich kurz zuvor versucht hatte, sie für einen Jim-Jarmusch-Film zu gewinnen. Seither hielt sie mich sowieso für quasi unzurechnungsfähig („Very strange mother, my mother …“).

Egal. Elyas M’Barek, den die Mädels damals für Doctor’s Diary verehrten, ist heute ein Star. Wenn er 2042 Jurypräsident der Berlinale ist, wird meine Tochter meiner Enkelin erklären müssen, warum er einst cool war.

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