Berliner Feuerwehr: Feuerwehr braucht Hilfe

Berufsgruppenvertreter klagen im Innenausschuss über schlimme Zustände bei der Feuerwehr. Innensenator Geisel verspricht Verbesserungen

Löscharbeiten in Berliner Mehrfamilienhaus Foto: dpa

Fünf Wochen hatten Feuerwehrleute vor der Feuertonne ausgeharrt. „Berlin brennt“ lautete die Aktion, mit der im Frühjahr vor dem Roten Rathaus auf die prekäre Lage im Rettungswesen aufmerksam gemacht wurde. Am Ende hatten Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Gewerkschaftsvertreter eine Erklärung unterzeichnet, um die Arbeitsbedingungen bei der Feuerwehr zu verbessern.

Am Montag befasste sich der Innenausschuss mit dem Thema. Drei Stunden dauerte die Diskussion, zu der auch Vertreter der Berufsgruppen geladen waren. Mit dabei: Stefan Ehricht. Der Verdi-Betriebsgruppensprecher für die Feuerwehr gehörte zu den Aktivisten vor dem Roten Rathaus. „Ich mach’s gern praktisch“, sagte Ehricht und zog aus seiner Tasche zwei Strahlrohre: ein altes Rohr, das nur über die Hebelstellung Auf und Zu verfügt; und ein neues, mit dem sich die Stärke des Wasserstrahls regulieren lässt. Das sei nicht selbstverständlich, rief Ehricht, „Von den alten haben wir vier auf den Autos, von den neuen eins.“

Seit 1997 habe sich das Einsatzaufkommen der Berliner Feuerwehr um 76 Prozent gesteigert, gleichzeitig habe sich die Zahl der Stellen der Berufsfeuerwehr um 7 Prozent reduziert, sagte Sascha Guzy vom Landesfeuerwehrverband. Dem Lagebericht 2017 zufolge, den der stellvertretende Leiter der Feuerwehr, Karsten Gö­wecke, am Montag vorstellte, hat es im vergangenen Jahr 458.142 Feuerwehr- und Rettungseinsätze gegeben. 2007 waren es noch 320.000.

Nur bei 1,5 Prozent der Fälle – knapp 7.000 – ging es um Brände, so Gö­wecke. Den Löwenanteil absolvierte der Rettungsdienst mit 370.000 Fahrten (74 Prozent). Aber auch wetterbedingte Ausnahmezustände brächten die Feuerwehr an ihre Kapazitätsgrenzen. 6.735 diesbezügliche Einsätze hat es 2017 gegeben. Das sei „rekordverdächtig“, heißt es im Lagebericht. An der Spitze liegen Einsätze beim Sturmtief „Xavier“. Ohne Freiwillige Feuerwehr und Technisches Hilfswerks hätte die Berufsfeuerwehr diese Einsätze nicht bewältigen können.

„Was wir haben, ist ein ständiger Ausnahmezustand“, sagte Oliver Mertens, der bei der Gewerkschaft der Polizei für die Feuerwehr zuständig ist. Bei der Schnelligkeit, in der Berlin wachse, „müssten eigentlich schon sechs neue Wachen in Planung sein.“ Und die Fahrzeuge, so Mertens, „brechen uns unter dem Hintern weg“. Mehrmals täglich müsse man die Fahrzeuge manchmal wechseln, klagte Ehricht. Veraltete Navigationsgeräte „führen uns in die Irre“. Hitzegeschockte Patienten seien in über 30 Grad heißen Fahrzeugen transportiert worden, weil die Klimaanlage ausgefallen sei. Oder im Winter: Wenn die Standheizung ausfalle, müsse man die Patienten warm einpacken, „obwohl wir sie für ein EKG ausziehen müssten“, berichtete Mertens.

Nach Angaben von Vizechef Göwecke beläuft sich der Investitionsstau auf 160 Millionen Euro. 23 Mil­lio­nen Euro wären jährlich nötig, um den „Istzustand“ der Flotte zu halten. „Wir sind im Moment in einer Aufholjagd“, sagte Innensenator Geisel. 14 neue Löschfahrzeuge seien bereits beschafft worden. In den letzten anderthalb Jahren sei mehr passiert als in den 15 Jahren davor. Es gebe Beförderungen, verbesserte Arbeitsbedingungen, auch die Überstunden würden ausgezahlt oder als Urlaub vergütet. „Wir haben verstanden und arbeiten daran“ sagte Geisel. Damit hatte er wohl auch die Proteste an der Feuertonne im Blick.

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