Berliner Haftanstalt Tegel: Einfach verduftet

Ein Häftling entkommt aus der JVA Tegel. Bemerkt wird das erst am nächsten Morgen. Justizsenator bemüht sich um Transparenz.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) informiert über den Ausbruch Foto: dpa

Niemand verletzt, nichts kaputtgemacht – einfach verduftet. Die JVA Tegel hat einen Häftling weniger. Das Fehlen des 24-jährigen in Libyen geborenen Mannes wurde am Donnerstag um 6.00 Uhr beim morgendlichen Zellenaufschluss entdeckt. Statt seiner lag eine mit einer Mütze versehene Attrappe im Bett. Vieles spreche dafür, dass der Häftling unter einem Lebensmittellaster versteckt aus der Anstalt entkommen sei, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Mittag vor Journalisten. Ob dem wirklich so sei, würden die Ermittlungen zeigen.

Der Entflohene hatte in Tegel eine mehrjährige Haftstrafe unter anderem wegen räuberischer Erpressung verbüßt. Als Strafende war September 2022 notiert, ein weiteres Verfahren ist noch offen.

Die Pressekonferenz war kurzfristig einberufen worden. Seit kurz vor Weihnachten vier Strafgefangene aus der JVA Plötzensee ausgebrochen waren und fünf Männer aus dem offenen Vollzug entwichen, ist Behrendt offensichtlich um Transparenz bemüht. Die AfD nutzte den Vorfall und forderte am Donnerstag Behrendts Entlassung.

Ob der 24-Jährige seine Flucht alleine bewerkstelligte oder ob er Helfer hatte, ist noch nicht geklärt. Die Abteilungsleiterin für den Strafvollzug, Susanne Gerlach, fasste die bisherigen Erkenntnisse so zusammen: Der Häftling war in der Teilanstalt II Hausarbeiter, das heißt, er konnte dort tagsüber frei herumlaufen. Rund 300 Insassen seien in dem Haus untergebracht. Zwischen 15.30 und 17.30 Uhr könnten im Rahmen der Freistunde alle auf den Hof. Das sei auch am Mittwoch so gewesen. Anschließend werde erfasst, ob alle in ihren Zellen seien. Dann würden diese bis zum Morgen verschlossen.

Wahrscheinlich sei, dass der 24-Jährige am Mittwoch nach dem Hofgang nicht in seine Zelle zurückkehrte, sondern sich auf dem Anstaltsgelände versteckte. Der Beamte, der die Zählung vornahm, habe die Attrappe im Bett irrtümlich für den Gefangenen gehalten, glaubt Gerlach. Aus Kleidung, Klopapier und Stoffresten habe der Häftling einen Körper geformt und diesen unter der Bettdecke platziert, die Mütze habe oben rausgeguckt.

Die Vermutungen gingen dahin, dass sich der Häftling unter dem Lastwagen einer externen Firma versteckt habe. Der Lkw mit Anhänger sei am Mittwoch von Teilanstalt zu Teilanstalt gefahren, um die Bestellungen der Insassen auszuliefern. Wenn die Waren ausgeladen würden, seien die Gefangenen unter Verschluss. Gegen 20.00 Uhr habe der Lkw den Ausgang passiert. Zuvor hätten Beamte vorschriftsmäßig den Innenraum des Fahrzeugs kontrolliert und auch den Unterboden abgespiegelt.

Der Fahrer des Wagens sei vernommen worden, er sei nicht unter Verdacht, sagte Gerlach. Der Mann habe unweit der JVA Tegel geparkt, im Fahrzeug geschlafen und sei am Morgen Richtung Sachsen-Anhalt aufgebrochen. Nach Kontakt mit der Polizei habe er auf einem Parkplatz gewartet. Die Polizei habe dann die Türen geöffnet, von innen sei das unmöglich. „Der Gefangene befand sich nicht im Laderaum“, so Gerlach.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.