Berliner Wohnungskrise: Bauen löst die Probleme nicht

Für sozial Schwache fehlen 200.000 Wohnungen. Die Linke will mit Hilfe von Wohnungsbaugesellschaften gegensteuern.

Wohnblöcke

Überhitzter Wohnungsmarkt in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz |Die Wohnungskrise in Berlin lässt sich nicht allein durch mehr Neubau lösen, denn sie betrifft die verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Stadt in ganz unterschiedlichem Maße. Das ist eine zentrale Erkenntnis einer von der Linksfraktion in Auftrag gegebenen Studie, die die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und wohnungspolitische Sprecherin Katrin Lompscher und der Studienautor Andrej Holm am gestrigen Montag präsentierten.

Für seine Untersuchung hat der Soziologe Holm die soziale Wohnraumversorgung für die etwa 350.000 Bedarfsgemeinschaften der Stadt und weitere 300.000 Haushalte mit geringem Einkommen in den Blick genommen.

Allein für die erste Gruppe fehlen etwa 55.000 Wohnungen zu einem Preis innerhalb der Grenzwerte der vom Jobcenter übernommenen Wohnkosten. Hinzu kommen 130.000 fehlende preisgünstige Wohnungen für Geringverdiener, die keine Transferleistungen beziehen. Der Definition „preisgünstig“ legt Holm eine Leistbarkeitsgrenze zugrunde, derzufolge Betroffenen nach Abzug der Miete noch 20 Prozent mehr zum Leben bleiben sollen als Hartz-IV-Beziehern.

Für viele Menschen, die bis zur Hälfte ihres Einkommens für ihre Miete aufwenden müssen, ist dies derzeit eine Illusion. Um den absehbaren Bedarf zur Unterbringung von Geflüchteten sicherzustellen, werden zudem weitere 25.000 preiswerte Wohnungen benötigt.

Kaum noch Angebote

Die Zahl entsprechender Wohnungen hat sich dagegen stark reduziert. Nur 10.000 Angebote waren vergangenes Jahr online zu finden, überwiegend außerhalb der Innenstadt. 2007 waren es noch über 100.000. Holm schreibt: „Der Angebotsmarkt hat weite Teile Berlins in eine Hartz-IV-freie Zone verwandelt. Mobilität ist für Einkommensschwache fast ausgeschlossen.“

Dem Mangel an Wohnraum allein mit Neubau zu begegnen, hält Lompscher für nicht zielführend: „Bauen, bauen, bauen ist keine Lösung, weil diese Einkommensgruppen da nicht vorkommen“, so ihre Einschätzung. In die Pflicht nehmen will die Linksfraktion insbesondere die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die ihre „soziale Versorgungsfunktion ausweiten“ sollen.

Stadtsoziologe Andrej Holm

„Der Angebotsmarkt hat weite Teile Berlins in eine Hartz-IV-freie Zone verwandelt“

Ihren Wohnungsbestand sollen sie von derzeit 300.000 auf 400.000 erhöhen, nicht innerhalb von zehn Jahren, wie im April vom Senat vereinbart, sondern bis 2021. Auch das Ziel, ein Drittel der geförderten Wohnungen mit Einstiegsmieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter anzubieten, halten weder Holm noch Lompscher für ausreichend. Beide nannten eine Zielmarke von 5,50 Euro.

Für Neubauten sind derartige Mieten nur mit hohen Subventionierungen zu realisieren. Günstiger soll es durch andere Maßnahmen werden, etwa Zukäufe, die Beseitigung von Leerstand und Dämpfung beziehungsweise Reduzierung bestehender Mieten. Dafür sollen die Wohnungsbaugesellschaften auf einen Zuschlag bei ihren etwa 20.000 Neuvermietungen im Jahr verzichten. Außerdem sollen sie Bestandsmieten über dem Mietspiegel kappen und die Modernisierungszulage in einem ersten Schritt auf 5 Prozent absenken und langfristig abschaffen.

Mehr Geld ist nötig

Möglich werden soll dies durch einen jährlichen, steuerfinanzierten Zuschuss ins Eigenkapital der Gesellschaften in Höhe von 200 Millionen Euro. Zusätzlich möchte die Linke einen Förderfonds in Höhe von 30 Millionen Euro für Genossenschaften oder Baugruppen schaffen, sofern diese günstigen Wohnraum schaffen. Weiteres Geld solle bereitgestellt werden, damit Wohnungsbaugesellschaften auch kurzfristig Grundstücke hinzukaufen können.

Kritik an den Linken-Vorschlägen kommt aus der Senatsabteilung für Stadtentwicklung. Das Ziel von 400.000 Wohnungen bis 2026 sei so gesteckt, dass es „tatsächlich bewältigt werden kann“, sagt Pressesprecher Martin Pallgen. Berlins Unterstützung für die Wohnungsbaugesellschaften sei „bereits großzügig“. Sie dürften „erwirtschaftete Gewinne behalten“ und bekommen landeseigene Grundstücke zur Verfügung gestellt.

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