Berlins AfD wählt Personal für Wahl 2026: Gefährlicher als in Brandenburg
Die AfD setzt auf das gemäßigte Aufreten ihrer alten und neuen Spitzenkandidatin Brinker. Das ist aber ist nur die bürgerliche Maske der Höcke-Partei.

A lso wieder Kristin Brinker. Jene Frau, die sich im Abgeordnetenhaus seit Jahren müht, ihrer Partei ein anderes Gesicht zu geben als dass der Höckes und anderer gesichert rechtsextrem einzuordnender AfD-Mitglieder. Mit großer Mehrheit und ohne bei der AfD durchaus nicht seltene interene Querelen hat der ins brandenburgische Jüterbog ausgelagerte Parteitag die 53-Jährige am Samstag erneut zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl gemacht.
Hinter ihr auf der AfD-Landesliste – mit der Parteien Parlamentssitze besetzen, die ihr über gewonnene Wahlkreise hinaus zustehen – folgen zwei Abgeordnete, die gleichfalls in die Kategorie „Brinker“ fallen. Auf Platz 2 steht Alexander Bertram, der am Mittwoch im Hauptausschuss des Parlaments noch in ruhigem Ton und ohne Schaum vor dem Mund zum Baum-Entscheid sprach.
Und auf Platz 3 steht der aktuelle parlamentarische Geschäftsführer Rolf Wiedenhaupt. Der wurde bis zu seiner zumindest formellen Ausflösung dem von Höcke gesteuerten „Flügel“ der Partei zugeordnetet, gibt sich bei seinen Auftritten im Abgeordnetenhaus aber gleichfalls bürgerlich und die äußere Form wahrend.
Das Auftreten aller drei Spitzenleute auf der Landesliste steht in großem Gegensatz zu dem der wichtigsten Männer in der brandenburgischen Landtagsfraktion. Im Plenarsaal in Potsdam – weniger als 25 Kilometer Luftlinie vom Abgeordnetenhaus entfernt -reden Fraktionschef Hans-Christoph Berndt und sein parlamentarischer Geschäftsführer Dennis Hohloch ganz anders, inhaltlich wie in der Schärfe ihrer Worte.
Bei enttäuschten CDU-Wählern andocken
Hinter diesem Trio folgen zwar zwei junge Gesichter vom als gesichert rechtsextremistisch eingestuften und inzwischen aufgelösten früheren Nachwuchsverband Junge Alternative. Einer davon sagte in seiner Parteitagsrede laut RBB: „Gegen Messerstecher und U-Bahntreter hilft nur eins: Remigration.“ Dennoch ist als genereller Kurs zu erkennen: In Berlin setzt man auf Bürgerlichkeit, um mehr konservativ als radikal zu wirken und so bei enttäuschten CDU-Wählern andocken zu können.
Da hinein ließe sich nun ein Erfolg des – alles ist relativ – weniger extremen Teils des Landesverbands interpretieren und eine Schwächung vormaliger „Flügel“-Kräfte. Tatsächlich aber dürfte viel davon reine Strategie sein. Den führenden AfDlern im Berliner Landesverband wird klar gewesen sein, dass sie mit einem aggressivem Ansatz wie in Brandenburg in Berlin nicht weiter kommen. Zwischen Lausitz und Uckermark zieht der durchaus und hat die dortige AfD in der jüngsten Umfrage Mitte September auf zuvor nie erreichte 34 Prozent gebracht. Das sind nochmal fünf Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl vor einem Jahr.
In Berlin kann die Partei hingegen mit Brinkers Ansatz punkten. Gemessen an den 9,1 Prozent, die sie bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus im Februar 2023 erhielt, hat sie mit derzeit angenommenen 16 Prozent weit mehr dazugewonnen als der in absoluten Zahlen weit stärkere Brandenburger Nachbarverband.
Da war es nur logisch gewesen, Brinker wieder zur Spitzenkandidatin zu machen und sie noch zu stärken. Bertram, die Nummer 2 auf der Kandidatenliste, hat die Ziele am Samstag beim Parteitag klar abgesteckt: 2026 stärkste Oppositionskraft, 2031 ins Rote Rathaus. Das erste Ziel ist nach Umfragelage alles andere als fern.
Es ist und bleibt die Partei von Björn Höcke
So extrem die Brandenburger AfD im Potsdamer Landtag auftreten mag – sie ist damit zumindest klar zu erkennen. Die vermeintlich bürgerlich daher kommende Variante Brinker ist letztlich die gefährlichere. Brinker und jene in ihrem Kielwasser polemisieren meist nicht, sondern rechnen gelegentlich genau vor und nutzen nüchtern Vorlagen, die ihnen die schwarz-rote Koalition ungewollt gibt. Und setzen auf Themen auf, die ohnehin gerade populär sind. So war von Bertram am Mittwoch zum von Grünen und Umweltaktivisten gestarteten Baum-Entscheid zu hören, man stehe dem Anliegen „grundsätzlich positiv“ gegenüber.
Selbst wenn das bei Brinker und Kollegen nicht nur Worte wären: Unterm Strich bleibt als Fakt, dass sie der Partei der Höckes und Weidels angehören. Das reicht, um jedes anders wirkende Auftreten zu konterkarieren. Das vor Augen zu behalten, verlangt allerdings eine Abstraktionsstufe mehr als der Umgang mit ihren offen extremen Parteifreunden in Potsdam. Die starken AfD-Zugewinne in Umfragen seit 2023 deuten leider nicht darauf hin, dass Berlins Wählerschaft durchweg die Fähigkeit dazu besitzt.
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