Beruhigungsstrategie des Innenministers: Papa, ich kann nicht schlafen

Thomas de Maizière will, dass nach der Absage des Fußballspiels in Hannover alle ruhig bleiben – und erreicht genau das Gegenteil.

Ein Mann bringt ein Mädchen zu Bett, ein großer Bär schaut zu

Setzen Sie einfach Thomas de Maizière statt Erol Sander ein und gehen Sie beruhigt zu Bett. Foto: ap

Nein, Konkretes wollte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstagabend nicht dazu sagen, warum die deutsche Nationalmannschaft nicht gegen die Niederlande spielen durfte. Warum die Zuschauer eine gute Stunde vor Spielbeginn von der Polizei nach Hause geschickt wurden. Aus „ganz grundsätzlichen Erwägungen“ wollte er lieber schweigen. Alles andere „würde für die Zukunft Rückschlüsse auf unser Verhalten zulassen“. Und das „würde denkbare Hinweisgeber dazu führen, gegebenenfalls keine Hinweise mehr zu geben“. Beides diene nicht der nationalen Sicherheit unsere Landes.

Ermittlungstaktik. Tut mir leid. Kann nichts sagen. Keine Panik, Leute. So weit, so wenig, so wiederkehrend. Hätte es de Maizière nur dabei belassen.

Hat er aber nicht. Der CDU-Politiker holte noch einmal aus, warum er wirklich, wirklich, wirklich nichts berichten könne – weder über die Quelle noch über die tatsächliche Gefährdung. Sein Grund: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“

Rumms. Der Satz hing nach. Jetzt fingen wohl erst recht viele an, sich Sorgen zu machen. De Maizière sorgte mit diesem Ausspruch für genauso viel Beruhigung, wie der Papa, der unterm Bett hervorkriecht, langsam rückwärts aus dem Raum schleicht und dabei flüstert: „Ja, Kinder, Ihr habt Recht, da ist ein Monster unterm Bett. Es sieht wirklich sehr gefährlich aus. Gut, dass Mama und ich nebenan wohnen. Aber schlaft Ihr ruhig weiter. Gute Nacht.“ Tür knallt zu. Kinder hören sich schnell entfernende Schritte.

Hatte de Maizière tatsächlich gedacht, mit dieser Antwort unser aller geruhsamen Schlaf sicherstellen zu können? Wenn ja: Clever, Herr Innenminister!

Die Wahrheit ist schwer zu ertragen

Natürlich gilt das Helmut-Schmidt-Mantra: Ein Politiker muss nicht alles sagen, was er weiß. Niemand muss das. Aber wenn er den Mund aufmacht, sollte er besser vorher wissen, was er da sagt – und nicht so reden wie de Maizière. Sein Satz ist einer, den ein Innenminister niemals sagen darf. Zumindest kein Innenminister, der es es darauf anlegt, seine Bevölkerung bloß nicht zu verunsichern. Wer so etwas sagt, wird nur schwerlich den „Vertrauensvorschuss“ bekommen, um den er in dieser „ernsten Lage“ bat. De Maizière hat die Schleusen zum Fluss voller Gerüchte geöffnet.

Und überhaupt: Welch verstörend paternalistische Denkweise steckt eigentlich hinter dem Ausspruch, dass man zwar gerne mehr sagen würde, aber die Antworten das Volk zu sehr verunsichern würden? Nach dem Motto: Ich kenne zwar die Wahrheit, aber erzähl sie Euch nicht, denn Ihr könnt sie eh nicht ertragen. Nur ich, der Thomas, ausgestattet mit der Superkraft Mut, kann diese schwere Seelenlast stemmen. Und denk immer daran, liebes Volk: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!

Wie zum Beweis, ermahnte Thomas de Maizière zum Schluss der Pressekonferenz dann tatsächlich uns alle zur Nachtruhe: „An einem Dienstag ist es normal, dass man gegen 22 Uhr nach Hause kommt.“

Ok, gute Nacht, Papa!

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