Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Vorratsdatenspeicherung bleibt

Vermutlich verstößt die anlasslose Massenspeicherung von Telekomdaten gegen EU-Recht. Doch Karlsruhe will die Einführung nicht stoppen.

Viele Disketten

Traditionelle Vorratsdatenspeicherung Foto: photocase/zettberlin

KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht hat erneut Eilanträge gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung abgelehnt. Die Abwägung der Interessen spreche dagegen, die anlasslose Speicherung, die am 1. Juli beginnt, zu stoppen.

Der Bundestag hat die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung bereits im Oktober 2015 beschlossen. Aufgrund einer Übergangsfrist beginnt die eigentliche Speicherpflicht aber erst am 1. Juli 2017. Dann müssen Internet-Firmen zehn Wochen lang speichern, wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet einloggte. Telefonfirmen müssen zehn Wochen lang festhalten, wer wann mit wem telefoniert oder gesimst hat. Vier Wochen lang muss gespeichert werden, wo sich ein Mobiltelefon aufhielt.

Im Juli 2016 lehnte das Bundesverfassungsgericht erstmals Eilanträge gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ab. Zwar könne die anlasslose Datenspeicherung einen „erheblichen Einschüchterungseffekt“ bewirken, weil das Gefühl entstehe „ständig überwacht zu werden“. In einer Folgenabwägung sprach sich das Gericht damals aber gegen einen vorläufigen Stopp des Gesetzes aus. Grund: Die Daten dürften nur noch zur Aufklärung und Verhütung schwerer Straftaten genutzt werden.

Neuen Schwung bekam die juristische Debatte jedoch, als im Dezember 2016 der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass die Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und Schweden nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Der Eingriff sei als „besonders schwerwiegend“ anzusehen und müsse bei Speicherung und Nutzung der Daten auf das „absolut Notwendige“ begrenzt werden. So verlangt der EuGH einen zumindest mittelbaren Zusammenhang der gespeicherten Personen mit schweren Straftaten oder ihrer Verhütung. Als Beispiel für solche Kriterien schlug der EuGH geographische Einschränkungen vor, etwa weil in einem bestimmten Gebiet ein erhöhtes Risiko besteht, dass solche Straftaten begangen oder geplant werden.

Entscheidung erst in Jahren

Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung schöpften neue Hoffnung. In Karlsruhe gingen schnell zwei neue Eilanträge auf Aussetzung der anlasslosen Speicherung ein. Der eine stammte von 22 Berliner Anwälten, Journalisten und Abgeordneten, der andere Antrag wurde vom SPD-nahen Verein für digitalen Fortschritt D64 eingereicht.

Beide Anträge lehnte eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts nun ab. Die Fragen, die sich nach dem EuGH-Urteil stellen, seien „nicht zur Klärung im Eilrechtsschutzverfahren geeignet“. Im übrigen wird auf die Folgenabwägung aus dem Beschluss vom letzten Sommer verwiesen (Az.: 1 BvR 3156/15 u.a.). In der Hauptsache wird das Bundesverfassungsgericht über die anhängigen elf Verfassungsbeschwerden vermutlich erst in einigen Jahren entscheiden.

Damit ist im Moment nur noch ein Versuch offen, die Vorratsdatenspeicherung schon vor dem Start zu stoppen. Der Münchener Provider SpaceNet AG will verhindern, dass er für 40.000 Euro neue Speicher-Hardware anschaffen muss. Allerdings ist sein Eilantrag Ende Januar vom Verwaltungsgericht Köln abgelehnt worden. Die vom EuGH aufgeworfenen Fragen seien so komplex, dass sie erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden können.

Dagegen hat SpaceNet Rechtsmittel beim Oberwaltungsgericht Münster eingelegt. Wann darüber entschieden wird, konnte das Gericht auf Anfrage nicht mitteilen. Ein direkter Rechtsweg zum Europäischen Gerichtshof besteht nicht.

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