Blockupy und Finanzpolitik: Dabei verbockt es Merkel

Warum protestieren die Aktivisten von Occupy vor der Europäischen Zentralbank? Dort sind sie gänzlich falsch. Raus aus Frankfurt, ab nach Berlin!

Wohnt hier die Finanzmacht? Absperrung vor dem Römer in Frankfurt. Bild: dpa

Gegen die Europäische Zentralbank und gegen die Macht der Banken – mit diesem Slogan protestiert die Occupy-Bewegung in Frankfurt. Die Wut ist zu verstehen. Bei der Eurokrise läuft fast alles schief.

Trotzdem sind die Demonstranten in der falschen Stadt aktiv: Statt zur Europäischen Zentralbank in Frankfurt zu marschieren, hätten sie vor dem Kanzleramt in Berlin campieren müssen. Nicht die EZB macht die entscheidenden Fehler – sondern die deutsche Regierung.

Die Europäische Zentralbank ist nämlich ziemlich machtlos. Sie kann nur die sogenannte Geldpolitik betreiben, die aus zwei Komponenten besteht. Sie kann die Leitzinsen senken – und sie kann die Banken mit Geld fluten. Beides hat die EZB gemacht. Der Leitzins liegt bei niedrigen 1,0 Prozent. Gleichzeitig wurden die europäischen Banken mit einer Billion Euro versorgt.

Diese Maßnahmen waren richtig. Aber die Ursachen der Eurokrise wurden damit nicht bekämpft, sondern nur die Symptome vorübergehend gelindert. Auch die Occupy-Bewegung scheint zu ahnen, dass die EZB eigentlich ohne Einfluss ist, denn nirgendwo findet sich ein konstruktiver Vorschlag, was die Notenbank machen solle.

Stattdessen wird lieber moniert, dass die EZB „unabhängig“ sei und damit nicht demokratisch kontrolliert. Das stimmt. Aber es ist nicht zu erkennen, was eine demokratische Kontrolle daran ändern würde, dass die EZB nur Geldpolitik betreiben kann.

In Deutschland soll sich nichts ändern

Die Macht liegt woanders: bei den Regierungen – und die sind demokratisch kontrolliert. Doch seltsam. Wo Einfluss besteht, da nimmt ihn Occupy nicht wahr – und verzichtet darauf, die Kanzlerin unter Druck zu setzten. Das ist schade. Denn in Berlin wird entschieden, ob der Euro überlebt.

Vor allem ein Politikfeld ist zentral, das auf den ersten Blick ganz weit weg von der Eurokrise zu liegen scheint: die Arbeitsmarktpolitik. Deutschland benötigt einen gesetzlichen Mindestlohn; es müsste die Minijobs abschaffen und die Leiharbeit einschränken.

Was das mit der Eurokrise zu tun hat? In der Analyse sind sich alle einig: Die europäischen Krisenländer müssen wieder wettbewerbsfähig werden. Doch bisher sollen sich nur die anderen Länder bewegen. Ob Portugal oder Griechenland, Spanien oder Italien: Sie alle sollen ihre Löhne senken, damit dann auch die Preise fallen können.

Nur in Deutschland soll sich nichts ändern, wenn es nach Angela Merkel geht. Dabei ist die Bundesrepublik keinesfalls unschuldig, dass die anderen Länder nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Systematisch wurde ein riesiger Niedriglohnsektor geschaffen und die Tarifbindung ausgehöhlt. Der technokratische Name dafür hieß „Agenda 2010“.

Die Reichen profitieren

Es lässt sich in jeder Statistik nachlesen: Seit 2000 sind die Reallöhne kaum gestiegen, obwohl die deutsche Wirtschaft gewachsen ist. Selbst Frankreich kann nicht mehr mit Deutschland konkurrieren, obwohl die dortigen Gehälter nur moderat zugelegt haben. Wenn der Euro auseinanderbricht, dann nicht wegen der europäischen Zentralbank – sondern weil die deutsche Regierung nicht bereit ist, ihre Lohnpolitik mit den Nachbarn zu koordinieren.

Neben diesen fundamentalen Problemen ist die Eurozone auch noch falsch konstruiert. Es funktioniert nicht, eine Währung zu haben – aber 17 nationale Staatsanleihen. Ohne Kursrisiko können die Investoren, von Occupy lieber „Spekulanten“ genannt, einige Euroländer meiden und in die Pleite treiben. Nur bringt es nichts, dies den Banken vorzuwerfen und ihre Zentralen in Frankfurt zu belagern. Denn es war nicht die Entscheidung der Banken, auf einen gemeinsamen Eurobond zu verzichten. Dieser Fehler trägt erneut einen anderen Namen: Angela Merkel.

Natürlich ist es unbefriedigend, dass alle Bürger für die Krise zahlen – während vor allem die Reichen profitieren, deren Vermögen gerettet wird. Dafür gibt es aber eine recht einfache Lösung. Man könnte Spitzenverdiener und Vermögende stärker besteuern. Zuständig wäre erneut: das Kanzleramt.

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