Bosnien-Herzegowina: Mit der taz in Titos Bunker

Auf der 3. Biennale Bosnien-Herzegowina wird die taz zur Kunstinstallation umgewandelt – im Atomschutzbunker des Exdiktators Tito.

Mit der taz im Gepäck von Stuttgart nach Bosnien: das Künstlerpaar Sylvia Winkler und Stephan Köperl. Bild: Herbert Grammatikopoulos

KONJIC taz | Nach jahrelangen, zähen Verhandlungen mit Regierung, diversen Botschaften, Kulturministerien und Sponsoren, fand 2011 – 18 Jahre nach dem Ende des Krieges im zerfallenden Jugoslawien – auf Initiative des Künstlerpaares Edo & Sandra Hozic – die erste Biennale in Bosnien-Herzegowina statt.

• Am 24. April eröffnete die 3. Ausgabe der Projekt Biennale Bosnien-Herzegowina für zeitgenössische Kunst – im früheren Atomschutzbunker des Diktators Tito. Der Bunker liegt unweit der Stadt Konjic, eine Autostunde südwestlich von Sarajevo.

 

• Die Biennale 2015 läuft noch bis zum 26. Oktober. 2015 stehen die „Bürgerbewegungen” in der Zeit des Kalten Krieges im Fokus. Als Partnerländer fungieren Albanien und Österreich.

Die grundlegende Idee der Bosnischen Biennalen ist die Aufarbeitung des Kalten Krieges. Die Gründung der NATO 1949 und der als Gegengewicht dazu 1955 gegründete sogenannte Warschauer Pakt verhärteten die Situation zunehmend und führten im Laufe der Jahre zum „Gleichgewicht des Schreckens” – eine verharmlosende Bezeichnung für die Möglichkeit, dass beide Seiten in der Lage waren, alles Leben auf dem Planeten auszulöschen. 

Höchste Geheimhaltungsstufe

Titos Jugoslawien galt beiden Blöcken stets als eher unzuverlässiger Partner. Vor allem die Sowjetunion unter Stalin betrachtete sein Handeln und Streben nach nationaler Souveränität mit Argusaugen. 1956 hat die jugoslawische Regierung bei den USA einen Kredit über rund 4,6 Milliarden US-Dollar aufgenommen, um unter höchster Geheimhaltung im unwegsamen Bergland des Bjelasnica-Gebirges, nahe der Kleinstadt Konjic, auf halbem Wege zwischen Sarajewo und Mostar gelegen, einen atomwaffensicheren Bunker für die Regierung und den Generalstab in den Berg zu treiben: das Objekt D-0. D steht für nationale Sicherheit, die Null für die höchste Geheimhaltungsstufe. 

Die Arbeiten am Bunker dauerten von 1953 bis 1979, dem Gründungsjahr der taz. Auf einer Fläche von rund 6.500 Quadratmetern, 280 Meter tief im Berg, sollte neben der jugoslawischen Regierung um Josip Broz Tito, seiner Frau und dem Generalstab rund 350 Menschen im Ernstfall die Landesverteidigung und den Fortbestand der Regierung für wenigstens sechs Monate gewährleisten. Der Bunker war Jugoslawiens drittgrößtes Bauwerk, von außen durch zwei unscheinbare Wohnhäuser getarnt – der Eingang ist das Garagentor.

Die Biennale

Am 24. April 2015 eröffnete in Titos Atombunker die dritte Auflage der Biennale von Bosnien-Herzegowina. Auf Einladung der Initiatoren der Biennale entwickelte das in Stuttgart ansässige Künstlerpaar Sylvia Winkler und Stephan Köperl eine Installation, die den Erfolg einer langatmigen und kontinuierlichen Arbeit hin zu einem gesellschaftlichen Wandel dokumentieren sollte. 

Das Thema der diesjährigen Biennale ist „Zivilgesellschaftliche Strömungen im Kalten Krieg”. Es geht um Alternativen, welche sich in dieser Zeit herausgebildet haben, wie Umwelt-, Frauen-, Friedens- und die Anti-AKW-Bewegung. „Die taz bildet diese Entwicklungen, wie sie innerhalb der BRD stattgefunden haben, ab und hat sie bis heute begleitet”, so Sylvia Winkler. „Wir konnten einen Bekannten, Udo Bühler, der die taz von Anfang an gesammelt hat, dazu bewegen, uns sein Archiv für den Bunker zur Verfügung zu stellen.” Dem Block an gedruckten Zeitungen stellen die Künstler dann das taz-Titelblatt vom 30. Juni 2011 gegenüber, das anlässlich des Atomausstiegs erschien. Auf dem Foto sind Teilnehmer einer Sitzblockade in Wackersdorf 1985 zu sehen, darüber die Schlagzeile „So sehen Sieger aus”. 

„Uns gefällt die hier vorgenommene Neudefinition von Siegern, deren Outfit nicht den gängigen Vorstellungen im Kontext einer 'Post-war-society' entspricht”, erklärt Stephan Köperl.

Und warum die Anordnung der Zeitungen als Block? „Das ist wie ein Computerchip, der all die Informationen speichert. Wir wollten das greifbar machen”, erklärt Sylvia Winkler. „Obwohl wir sonst nicht skulptural unterwegs sind, hat es für uns Sinn gemacht, das taz-Archiv selbst in den Bunker zu bringen und es dort aufgeschichtet einzulagern. Zum Block verdichtet, manifestieren sich die langen zivilgesellschaftlichen Kämpfe, als komprimierte, analoge Information.”

HERBERT „GRAMMATIX” GRAMMATIKOPOULOS ist Kulturwissenschaftler, Ethnologe, Mechaniker – und Marketingverantwortlicher der taz im Südwesten Deutschlands