Botschaftssturm im Sudan: „Das war kein spontaner Protest“

Warum wurde die deutsche Botschaft in Khartum attackiert? Die Wut kommt der Regierung im Sudan nicht ungelegen, meint Politikwissenschaftlerin Annette Weber.

An der deutschen Botschaft in Khartum am Freitag. Bild: dpa

taz: Frau Weber, warum wurde gerade die deutsche Botschaft angegriffen?

Annette Weber: Dazu gibt es politisch eigentlich keinen Anlass. Die Deutschen haben sich, etwa was den Internationalen Haftbefehl gegen Staatschef al-Bashir angeht, nie aus dem Fenster gelehnt – wie immer man das bewerten mag. Sie haben keine Angriffsfläche geboten. Allerdings ist in Khartum angekommen, dass in Berlin „Pro Deutschland“ im August gegen den Islam demonstrierte und dabei Mohammed-Karikaturen zeigte. Es wirkt nicht wie ein ganz spontaner Protest, sondern durchaus organisiert. Die Frage ist, von wem.

Welche islamistischen Gruppen könnten infrage kommen?

Schwer zu sagen. Die sudanesische Regierung selbst ist ja die erste islamistische Regierung in Afrika. Aber sie haben in den letzten Jahren durchaus Probleme mit Salafi- oder Wahhabi-Missionen aus Saudi-Arabien.

Könnte die sudanesische Regierung in irgendeiner Weise beteiligt sein?

Was mich stutzig macht, ist, dass die Polizei dort offenbar nicht sehr präsent war. Offensichtlich geht sie nicht mit der gleichen Verve vor wie bei den Demonstrationen der Zivilgesellschaft, die es in letzter Zeit auch gab.

Die 44-jährige Politikwissenschaftlerin ist Spezialistin für Afrika und den Mittleren Osten bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. In den vergangenen zwei Jahren forschte sie über „Regieren ohne Regierung“ in Somalia und im Sudan.

Was könnte der Grund dafür sein?

Die Regierung im Sudan betont sehr stark, dass die westliche Welt gegen „den Islam“ vorgehe. So ein Film wäre dann ein willkommener Anlass, die Bevölkerung hinter sich zu einen. Das wäre kein dummer Zug, weil die Bevölkerung im Moment mehr und mehr Kritik an der Regierung hat.

Welcher Art ist die Kritik?

Die Preise für Lebensmittel und Wohnen sind sehr stark gestiegen, und dagegen gab es Proteste. Die Regierung hat es auch nicht geschafft, sich mit dem Südsudan über Öllieferungen zu einigen, deshalb ist das Öl und auch das Benzin sehr teuer geworden.

Wie sollte Deutschland reagieren?

Es ist schon die Frage, warum die Polizei kaum präsent war.

Auf Twitter diskutiert man, ob die Botschaften in muslimischen Ländern generell zu schlecht geschützt sind. Wie sehen Sie das?

Das ist meines Erachtens nicht das Thema. Die deutsche Botschaft ist ganz normal gesichert, da kann man nicht einfach hineinlaufen. Und ich halte es für wichtiger, dass die Botschaft in der Innenstadt präsent ist und nicht abgelegen in einem bewachten Compound. Wir wollen doch zugänglich bleiben.

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