Bremen erkennt Zeugen Jehovas an: Sekte erhält Kirchenstatus

Nach seiner Niederlage vorm Bundesverfassungsgericht hat Bremen den Zeugen Jehovas jetzt den Status einer Körperschaft verliehen – und seine Verfassung geändert.

Egal, was die Bibel sagt: Bremen muss die Zeugen Jehovas anerkennen  Foto: Matthias Balk/dpa

BREMEN taz | Nach jahrelangem Rechtsstreit haben die Zeugen Jehovas jetzt vom Land Bremen die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts erhalten. Die Entscheidung fußt auf einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Das hatte im August einer Beschwerde der Religionsgemeinschaft teilweise stattgegeben und einen Artikel der Bremer Landesverfassung für verfassungswidrig erklärt.

Denn während die Anerkennung in anderen Bundesländern ein Verwaltungsakt ist, ist in Bremen – bis zur Entscheidung der Karlsruher Richter – die Verleihung des Körperschaftsstatus durch ein von der Bürgerschaft erlassenes Gesetz geregelt worden. Und das wurde vom Verfassungsgericht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung gewertet.

Dass die Zeugen Jehovas den Status erhalten müssen, ist freilich schon lange klar und wurde durch den Senat im Jahr 2009 auch bestätigt. Denn vor fast genau 15 Jahren hatte das Verfassungsgericht geurteilt, dass ein Bewerber um die staatliche Anerkennung „rechtstreu“ zu sein habe, also „das geltende Recht beachten“ müsse. Und das tun die Zeugen Jehovas, auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheint.

Denn die Religionsgemeinschaft muss sich immer wieder vorwerfen lassen, psychischen Druck auf ihre Mitglieder auszuüben, AussteigerInnen mit Isolation zu strafen, rigide Erziehungsmethoden anzuwenden oder medizinisch lebensnotwendige Maßnahmen wie Bluttransfusionen zu verweigern. Allerdings: Mangelnde Rechtstreue kann nur durch eine Vielzahl einschlägiger Urteile nachgewiesen werden – und die liegen hier nicht vor. Trotzdem hat vor allem die grüne Bürgerschaftsfraktion stets versucht, die Aufwertung der Zeugen Jehovas zu verhindern.

Matthias Güldner (Die Grünen)

„Selbstverständlich ist das zu akzeptieren“

Die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts gewährt Religionsgemeinschaften ähnliche Rechte wie christlichen Kirchen im steuerlichen Bereich, bei der Gründung konfessionell gebundener Kindergärten oder Schulen und gibt ihnen das Recht auf konfessionellen Religionsunterricht oder die Berücksichtigung in Rundfunkgremien.

Um diese Rechte den Zeugen Jehovas vorzuenthalten, „haben wir die Rechte der Bürgerschaft sicher weit ausgelegt, trotzdem aber immer gesetzestreu gehandelt“, sagt Matthias Güldner, Abgeordneter und ehemaliger Fraktionschef der Grünen. Im Rechtsausschuss habe man einstimmig beschlossen, der Religionsgemeinschaft die Körperschaftsrechte nicht zu verleihen: „Dass wirklich niemand dagegen war, ist schon sehr bemerkenswert.“

Gemäß des Beschlusses des Verfassungsgerichts ist die Rechtslage nun geändert worden: „Die Bürgerschaft ist seitdem raus, die Entscheidung trifft allein der Senat – und selbstverständlich ist das zu akzeptieren“, sagt Güldner. Den Zeugen Jehovas gönne er ihre neuen Privilegien dennoch nicht: „Angesichts ihrer zahlreichen Opfer gibt es keinen Grund, den Zeugen Jehovas staatliche Privilegien zu verleihen.“

Auch die Habenhausener Paulusgemeinde sollte nach dem Willen einiger Parlamentarier den Körperschaftsstatus nicht erhalten: Im Oktober 2014 war es der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Tschöpe, der hier Bedenken äußerte. Der Vorwurf: Seelsorger der evangelikalen Gemeinde würden versuchen, Homosexuelle „umzupolen“. Aber auch in diesem Falle konnte bis heute keine systematische Rechtsverletzung nachgewiesen werden – und die Auffassung, Homosexualität sei „heilbar“, fällt unter die Religionsfreiheit.

Weitere Diskussionen und Anhörungen wird es im Falle der Paulusgemeinde nicht geben: „Bremen wird auch sie anerkennen – genauso wie die Zeugen Jehovas“, sagt Güldner.

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