Bremer Koalitionsvertrag steht: Rot-Grün mit sparsamer Bindung

SPD und Grüne haben die neue Bremer Regierungsvereinbarung unterzeichnet – die Parteien regieren zum dritten Mal in Folge.

Bremer Politiker unterschreiben Koalitionsvertrag

Wahren Distanz: Karoline Linnert (vorn) und Carsten Sieling (zweiter von links). Foto: dpa

BREMEN taz | Ein Lächeln für die Kameras, Sekt, Selters und Saft zum Anstoßen, kein böses Wort, das auf die drohenden Konflikte hinweisen würden – und dann die historischen Unterschriften: Immerhin ist die rot-grüne Koalition in Bremen die erste bundesweit, die auf Landesebene in eine dritte Legislatur geht. Gestern wurde die Regierungsvereinbarung zwischen Bündnis 90/Die Grünen und SPD im Festsaal der Bürgerschaft unterschrieben – mehr als zwei Monate nach der Landtagswahl.

So was ist vor allem ein symbolischer Akt. Daher ist auch die Ausstattung der den SpitzenvertreterInnen der zwei Parteien, ihrer Fraktionen, dem designierten Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und der im Amt verbleibenden Bürgermeisterin Karoline Linnert (Grüne) zur Signatur vorgelegten Schriftstücke als Zeichen zu verstehen, etwa dafür, dass Bremen seine Sparanstrengungen auf die Spitze treiben will.

Es lagen – anders als vor vier Jahren – keine staatstragenden Dokumentenmappen mit designtem rot-grünem Prägedruck-Cover vor. Stattdessen gab‘ s zehn schmucklose Exemplare, die mit simplen Klarsichtdeckblättern eher wie Masterarbeiten wirkten. Wobei offen bleibt, ob eine Heißleimklebebindung im Wert von 4,50 Euro ausreicht, die Regierung vier Jahre lang zusammenzuhalten.

Zweifel daran sind begründet. Die Senatswahl am Mittwoch – in Bremen muss sich jedes Regierungsmitglied einer Parlaments-Abstimmung stellen – wird zwar wohl noch kein Belastungstest. Doch hatten die herben Verluste bei den Wahlen am 10. Mai zu Unruhe nicht nur in den Parteien geführt. Auch zwischen ihnen waren Konflikte aufgeploppt, die schon seit längerem unterm Deckel gehalten wurden. Während der Verhandlungen sind längst nicht alle von ihnen beigelegt worden.

Ein Absatz, viele Deutungen: Zur Unterweser heißt es im Vertrag: „Die Unterweser und ihre Nebenflüsse befinden sich bereits jetzt nach den geltenden Kriterien der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in einem schlechten und instabilen ökologischen Zustand. Unabhängig von einer Weservertiefung müssen diese Gewässer nach der WRRL in einen ökologisch verbesserten Zustand versetzt werden. Insbesondere die naturschutzfachlichen Hinweise, die sich aus den Gerichtsverfahren ergeben, sind ( …) umfassend zu berücksichtigen.“

Einen verstetigt der Vertrag sogar ganz ausdrücklich: „Über die weitere Bebauung in Randbereichen der Osterholzer Feldmark besteht zwischen den Koalitionspartnern Dissens“, steht dort. Die Entscheidung über die von Sieling eingebrachte Idee, eine der wenigen verbliebenen naturnahen Stadtlandschaften im arg verdichteten Bremer Osten zuzuteeren vertagen die Koalitionäre also.

Die Frage bleibt formal offen – das federführende Bau- und Umweltressort indes ist in grüner Hand. Und der lange blass gebliebene Ressort-Chef Joachim Lohse geht, nachdem er gegen den parteiinternen Herausforderer Robert Bücking mit 78,2 zu 19,7 Prozent bei der Landesmitgliederversammlung obsiegt hatte, gestärkt in seine zweite Amtszeit: Es ist kaum davon auszugehen, dass er diese neuen Kräfte nutzt, um ein Wohnungsbauprojekt im Ökotop gegen seine Homebase durchzubringen.

Andere Streitfragen gewinnen ihre Brisanz durch unscharfe Formulierungen. So klaffen in der Frage der Weservertiefung die Wahrnehmungen darüber auseinander, was man nun eigentlich vereinbart hat.

Während der Sprecher von Häfen- und Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) im Vertrag bezüglich der Unterweservertiefung vor allem „eine Erinnerung an das, was in der Vergangenheit diesbezüglich vereinbart wurde“, erkennt, deutet die neue starke Frau der Grünen, die Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer, den einschlägigen Passus als „klares Nein zur Unterweservertiefung“.

Tatsächlich moniert der Vertrag, dass dieser Flussabschnitt sich bereits jetzt „in einem instabilen ökologischen Zustand“ befinde und unabhängig von einem Ausbau der Fahrrinne nach europäischer Wasserrahmenrichtlinie „in einen ökologisch verbesserten Zustand versetzt werden“ müsste.

Die eindeutige Verschlechterung durch eine Vertiefung wäre somit ausgeschlossen. Allerdings: Bremen selbst ist zuständig für die Außenweser, wo es ein laut BUND-Landesgeschäftsführer „unnötiges Bekenntnis“ zum Vertiefungskurs in den Vertrag geschafft hat. Für die Unterweser ist hingegen – Niedersachsen am Zug.

Dort haben die Aussagen für Unruhe gesorgt. „Wir sehen den Koalitionsvertrag in dieser Frage sehr kritisch“, sagte ein Sprecher von Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). Man verstehe das als Abrücken vom gemeinsamen Planungsstand, und hoffe, dass Bremen zu seinen älteren Vereinbarungen stehe.

So hatte sich schon Ministerpräsident Stephan Weil im geäußert. Er plädiere dafür, „an der ursprünglichen Konstruktion zwischen dem Bund, Bremen und Niedersachsen“ festzuhalten.

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