Brexit-Krise in Großbritannien: Theresa May offenbar vor Rücktritt

Die Tories erhöhen den Druck auf ihre Chefin. Der Grund: die Idee eines zweiten Referendums. Parlamentsministerin Andrea Leadsom schmeißt hin.

Theresa May und ihr Mann Philip im Sonnenschein

Es gibt jemand, der zu Theresa hält – das Ehepaar May beim Gang zum Wahllokal Foto: reuters

BERLIN taz | Die britische Premierministerin Theresa May steht offenbar vor dem Rücktritt. Bereits am heutigen Freitag könnte sie die Führung der regierenden Konservativen niederlegen, berichtet die Times.

Sie würde zunächst als Parteichefin und damit auch als Premierministerin im Amt bleiben, bis die Regierungspartei eine Nachfolge bestimmt hat. Dies dürfte mehrere Wochen dauern.

Andere Quellen rechnen mit einem solchen Rücktritt am Montag nach Auszählung der Europawahlen und dem erwarteten Debakel der Tories. Die Briten gingen am Donnerstag wählen, die Ergebnisse werden am späten Sonntag abend veröffentlicht, wenn der Rest der EU gewählt hat.

Die letzte veröffentlichte Umfrage vor der Wahl sah die Konservativen bei 9 Prozent der Stimmen – Spitzenreiter mit Abstand war die Brexit Party von Nigel Farage mit 35 Prozent.

Die Möglichkeit, dass Theresa May nicht nur als Parteichefin, sondern auch als Premierministerin in den nächsten Tagen zurücktritt, gilt als unwahrscheinlich. Es würde auch nicht im Interesse ihrer Kritiker liegen. Reicht sie in Buckingham Palace ihren Rücktritt ein, ohne dass die Partei einen Nachfolger bestimmt hat, könnte sie der Queen selbst einen Nachfolger vorschlagen und die Partei dabei umgehen – wobei kein vernünftiger Politiker sich auf eine solche Nachfolge einlassen dürfte.

Am Sonntag 2. Juni, wird US-Präsident Donald Trump zu einem Staatsbesuch in Großbritannien erwartet. Das Büro der Premierministerin bestätigte, dass Theresa May gedenke, ihn als Premierministerin zu empfangen.

Am Kabinett vorbei

Bei den Konservativen liegen derweil die Nerven blank. Am Mittwoch abend ging eine Fraktionssitzung mit der Aufforderung an May zu Ende, entweder am Freitag ihren Rücktritt zu erklären oder von der Partei gestürzt zu werden. Die für Letzteres nötige Änderung der Parteistatuten soll bereits beschlossen worden sein und für eine Inkraftsetzung am Freitag in der Schublade liegen.

Hintergrund ist eine verbreitete Empörung darüber, dass May in ihren jüngsten Brexit-Gesetzentwurf die Möglichkeit eines zweiten Brexit-Referendums eingefügt hat. Dies widerspricht Berichten zufolge dem, was das Kabinett am Dienstag beschlossen hatte. Zahlreiche Minister äußerten sich darüber verwundert.

Am Mittwochabend trat Parlamentsministerin Andrea Leadsom, eine der wichtigsten Brexit-Befürworterinnen, deswegen zurück. Ihr Amt beinhaltet, Gesetzentwürfe durch das Parlament zu steuern. Sie schrieb in ihrem Rücktrittsbrief, sie könne nicht „einen Gesetzentwurf mit Elementen, die ich gundsätzlich ablehne, vorlegen“, und forderte May dazu auf, „die richtigen Entscheidungen im Interesse des Landes, der Regierung und unserer Partei“ zu treffen.

Als neuen Parlamentsminister berief May am Donnerstag Mel Stride, Wahlkampfmanager von Umweltminister Michael Gove. Dies deuteten manche als Signal, dass May diesen ehemaligen Anführer der Brexit-Kampagne als Nachfolger präferiert. Er hat sich wiederholt für die Annahme von Mays Brexit-Plänen durch das Parlament als einzige Möglichkeit eines EU-Austritts ausgesprochen.

Ob Mays Gesetzentwurf überhaupt weiterverfolgt wird, war am Donnerstag unklar. In der am Vormittag veröffentlichten Tagesordnung für die Sitzungswoche nach der Pfingstpause ist er, anders als von May angekündigt, nicht mehr enthalten.

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