Bürgerdialog der Bundeskanzlerin: Wenn Angela Merkel offensiv wird
Bundeskanzlerin Merkel hat ihre Bürgerdialog-Serie begonnen und mehr Toleranz in der Gesellschaft gefordert. Die SPD wirft ihr vor, schon jetzt den Bundestagswahlkampf zu eröffnen.
ERFURT dapd | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für mehr Toleranz in der Gesellschaft geworben und eine Ausweitung des Ehrenamts gefordert. "Wir müssen mehr Menschen für das Ehrenamt begeistern", sagte die CDU-Vorsitzende bei ihrem ersten Bürgerdialog in Erfurt am Mittwoch. Sie werde prüfen lassen, inwieweit der Staat diese Art des gesellschaftlichen Engagements in steuerlichen und rechtlichen Fragen verbessern kann.
Merkel diskutierte mit rund 100 Bürgern im Kaisersaal über die Frage "Wie wollen wir zusammenleben?". Eine Hälfte der Teilnehmer wurde von Organisationen vor Ort vorgeschlagen. Die zweite Hälfte wurde über ein Bewerbungs- und Losverfahren in der regionalen Presse ermittelt. Die Veranstaltungen in Form eines "Townhall-Meetings" sind Teil des Zukunftsdialogs der Bundeskanzlerin, der auch im Internet eine Plattform bereithält.
Merkel wies in der Diskussion die Forderung nach einem Grundeinkommen ab und forderte, nicht nur auf den Staat zu hoffen, sondern sich auch selbst zu engagieren. Sie betonte, die Gesellschaft und auch die Politik müssten "mehr für Toleranz tun" und nicht alles und jeden in "Schubladen" einsortieren. Sie nehme für sich mit, dass die Menschen "mehr Wertschätzung für das erfahren möchten", was sie tun, gerade in Berufen, die sich mit Menschen beschäftigen.
Merkel warb für die Online-Plattform des Zukunftsdialogs und betonte: "Wir schauen uns jeden Vorschlag an." Die Bürger richteten an die Kanzlerin vor allem die Forderung nach einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, einer Aufwertung ehrenamtlicher Tätigkeit und einer stringenteren Bildungspolitik.
Steuergelder für den Wahlkampf?
Die SPD kritisierte vor der Veranstaltung eine Verschwendung von Steuergeldern. "Frau Merkel eröffnet den Wahlkampf 2013 schon jetzt - und setzt dafür auch noch mehr als 1,5 Millionen Euro an Steuergeldern ein", kritisiert SPD-Chefhaushälter Carsten Schneider bei Spiegel Online.
Bei den Kosten seien die Ausgaben für Mitarbeiter "in mindestens drei Referaten im Kanzleramt und Bundespresseamt" noch nicht eingerechnet. Auch sie seien "zumindest teilweise mit der Umsetzung und Betreuung dieser PR-Formate beschäftigt", rechnete Schneider vor.
Der Zukunftsdialog der Kanzlerin beschäftigt sich mit dem künftigen Zusammenleben und Arbeiten in Deutschland. Darüber kann zum einen über eine Online-Plattform diskutiert werden, zum anderen lädt die Kanzlerin zu drei Diskussionsveranstaltungen.
Außerdem beschäftigen sich über 120 Experten mit Fragen über die alternde Gesellschaft, die Globalisierung der Wirtschaft und das Lernen in der digitalen Welt. Bislang wurden im Internet rund 7.500 Vorschläge gemacht. Die Plattform ist noch bis zum 15. April online. Die Autoren der zehn besten Vorschlägen lädt Merkel zur Diskussion ins Kanzleramt ein.
Auf den Termin in Erfurt folgt am 14. März in Heidelberg das nächste Bürgergespräch zum Thema "Wie wollen wir lernen?". Am 28. März werden in Bielefeld Vorschläge zu der Frage "Wovon wollen wir leben?" diskutiert.
Leser*innenkommentare
Heike Lindenborn
Gast
Vorbilder prägen, und zwar früher, als allgemein angenommen wird. Gandhi hat dies erkannt, leider aber nur wenige Nachahmer gefunden.
Bobo
Gast
Das erinnert an die "Danke Deutschland" Kampagne wo Madame No und der Witzekanzler Rösler mit Grinsegesichtern und mit Steuergeldern bezahlte Desinformation in den grossen Tageszeitungen ganzseitig verbreiteten.
Die Unverfrorenheit entspringt aus den zügellos agierenden Medienkampagnen-Beratern der Bundesregierung
und der Bedienung aus Steuergeldern.
Das sollte aber bei CDU und FDP
niemanden wundern.
Hatem
Gast
Am lustigsten an der ganzen Veranstaltung ist doch, dass über die Forderung die an erster Stelle gelandet ist (die meisten Stimmen bekommen hat), nämlich "Offene Diskussion über den Islam", nicht eine Silbe verloren wurde.
Anders gesagt: Wir können über alles reden - außer über die Probleme, die dem Volk auf der Haut brennen, aber die die Parteien nicht hören wollen.