Bürgerproteste in Norddeutschland zeigen Erfolg: Monstermasten sind Geschichte

Die Starkstromtrasse, die Windstrom nach Süddeutschland bringen soll, wird unterirdisch verlegt – doch die längere Bauzeit könnte den Atomausstieg gefährden

Diesen Anblick haben Bürgerinitiativen erfolgreich verhindert: Die Stromtrasse Südlink wird unterirdisch verlegt Foto: dpa

HANNOVER taz | Die Starkstromtrasse Südlink zum Transport von Ökostrom aus dem windreichen Norden nach Baden-Württemberg und Bayern soll vollständig unterirdisch verlegt werden. „Wir planen Südlink als reine Erdkabelverbindung“, so Lex Hartmann, Geschäftsführer des Netzbetreibers Tennet. „Das ist der Wunsch der Bürger, für den die Politik den Weg freigemacht hat.“

Gegen die zunächst als konventionelle Überlandleitung projektierte Stromtrasse gibt es seit Jahren Widerstand. Im Bundesverband gegen Südlink haben sich 46 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen, 17 davon allein aus Niedersachsen. Sie kritisierten bisher vor allem die Zerstörung des Landschaftsbildes durch bis zu 75 Meter hohe „Monstermasten“, aber auch Umweltzerstörung durch den Trassenbau. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der sich zunächst gegen eine Erdverkabelung positioniert hatte, griff den Bürgerprotest auf – im Oktober 2015 beschloss das Bundeskabinett, dass die Stromtrasse möglichst unterirdisch verlaufen soll.

Damit wird der Bau allerdings teurer. „Als Freileitung hätte Südlink drei Milliarden Euro gekostet“, sagte Tennet-Sprecherin Ulrike Hörchens der taz. „Sehr grob geschätzt rechnen wir jetzt mit etwa 10 Milliarden.“ Umgelegt werden diese Kosten auf alle Stromkunden – Schätzungen möglicher Preiserhöhungen reichen von drei bis 30 Euro jährlich.

Problematischer ist aber die Verzögerung der Bauzeit, die sich aus der unterirdischen Verlegung der Leitung ergibt. Frühestens 2025 wird die Trasse einsatzbereit sein – also zwei bis drei Jahre nach der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland.

Für Energiewende und Atomausstieg ist die Stromtrasse Südlink unverzichtbar:

Durch die 800 Kilometer lange Leitung soll Norddeutschlands Windstrom von Wilster und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein nach Bergrheinfeld in Bayern und Großgartach in Baden-Württemberg fließen.

Mit fünf möglichen Trassenvarianten wird aktuell geplant. Diskutiert werden drei mögliche Elbquerungen: Nördlich und südlich von Stade sowie bei Freiburg an der Elbe.

Danach wird die Leitung zwischen Verden und Soltau und östlich oder westlich von Hannover und Göttingen vergraben.

Über den genauen Verlauf entscheidet die Bundesnetzagentur spätestens im Jahr 2021.

Damit sei die Stromversorgung in Teilen der Republik gefährdet, fürchtet der energiepolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Oliver Krischer: „Leidtragende sind die Menschen in Süddeutschland“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „Die CSU und die gesamte Bundesregierung muss den Menschen erklären, wie sie die langfristige Versorgungssicherheit nach dem Atomausstieg gewährleisten wollen.“

Intern gehen manche Grüne noch weiter. Gut denkbar sei, dass wegen der Südlink-Bauverzögerungen besonders aus CDU und CSU erneut Forderungen nach einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke laut werden könnten.

Tennet-Sprecherin Hörchens versichert dagegen, auch ohne Atomkraft sei die Stromversorgung Bayerns und Baden-Württembergs gesichert. Wegen der fehlenden Südlink-Leitung werde es ab 2022 im Norden allerdings vermehrt zu „Windabregelungen“ kommen. Windstrom könne dann nicht mehr ins Netz eingespeist werden. Zurückgegriffen werden soll stattdessen auf alte, klimaschädliche konventionelle „Reservekraftwerke“ in Süddeutschland und Österreich.

Wie der Netzbetreiber werben deshalb manche Grüne schon heute für eine schnelle, intensive Diskussion über den genauen Verlauf von Südlink – noch sind bis zu fünf Unter-Varianten der Trasse quer durch Niedersachsen denkbar: „Die Leitung muss schnell kommen“, fordert Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck. Weit vor der im offiziellen Planungfeststellungsverfahren vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung will Tennet deshalb ab Oktober bei 22 Veranstaltungen allein in Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit Anwohnern ins Gespräch kommen.

In Niedersachsen drängen die grün geführten Ministerien für Landwirtschaft und Raumordnung sowie für Umwelt und Energie dagegen weniger zur Eile. Er sei sich der „Notwendigkeit des Südlink-Projekts bewusst“, sagt Landwirtschaftsminister Christian Meyer zwar. Allerdings gehe es nicht um „die einfachste, sondern die bestmögliche Lösung für Raumplanung und Umwelt“ – und Niedersachsens Umweltministerium argumentiert, die Stromnetze seien nicht durch Windenergie, sondern durch Kohle- und Atomstrom verstopft.

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