Bundesgerichtshof zu Ruanda-Völkermord: Wer Mörder aufstachelt, ist Mittäter

Der Bundesgerichtshof kippt das erste Ruanda-Völkermordurteil eines deutschen Gerichts. Er kritisiert es als ungenügend und fehlerhaft.

Onesphore Rwabukombe bei seiner erstinstanzlichen Verurteilung in Frankfurt, 28. Februar 2014. Bild: dpa

BERLIN taz | Der erste Prozess in Deutschland wegen des Völkermords in Ruanda muss neu aufgerollt werden und dürfte dann mit einer höheren Strafe enden. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe kippte am Donnerstag die Verurteilung des Ruanders Onesphore Rwabukombe wegen Beihilfe zum Völkermord durch das Oberlandesgericht Frankfurt im Februar 2014 und verwies das Verfahren an das Gericht zurück.

Moniert wurde vom Bundesgerichtshof (BGH), dass Rwabukombe nicht wegen Mittäterschaft beim Völkermord verurteilt worden war, sondern lediglich wegen Beihilfe. Damit wurde im Februar 2014 nicht lebenslange Haft gegen ihn verhängt, sondern nur 14 Jahre. Dieses Urteil wurde nun teilweise aufgehoben, weil „die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei lediglich Gehilfe und nicht Täter des Völkermordes gewesen, rechtlicher Prüfung nicht standhält“, so die Bundesrichter.

Rwabukombe war in Ruanda bis 1994 Bürgermeister der Gemeinde Muvumba gewesen und lebte im April 1994, als der Völkermord an den Tutsi begann, ebenso wie meisten Bürger seiner Gemeinde als Flüchtling im Dorf Murambi, an Wochenenden auch in der ruandischen Hauptstadt Kigali, wo er mit bekannten Befürwortern der Auslöschung der Tutsi verkehrte, darunter Führer der Hutu-Miliz Interahamwe, die eine führende Rolle bei den Massakern spielen sollte.

In Murambi arbeitete Rwabukombe als Bürgermeister seiner Flüchtlinge weiter, in Kooperation mit Murambis Bürgermeister Jean-Baptiste Gatete – mittlerweile vom UN-Ruanda-Völkermordtribunal zu lebenslanger Haft verurteilt. „Der Angeklagte behielt in seiner Funktion als Bürgermeister die Kontrolle über die Mitarbeiter seiner Gemeindeverwaltung, die Gemeindepolizisten und die Kämpfer der Interahamwe-Miliz“, so 2014 das OLG Frankfurt in seinem Urteil; „die Bevölkerung Murambis sowie die Interahamwe-Milizionäre betrachteten ihn als Respektsperson, seine Anweisungen wurden von den Bürgern und den Interahamwe befolgt.“

Beim Völkermord in Ruanda wurden zwischen April und Juli 1994 über 800.000 Menschen, zumeist Tutsi, von Armee und Hutu-Milizen getötet, um eine Machtteilung zu verhindern. Die Tutsi-geführte Rebellenarmee RPF eroberte danach das Land.

Viele Völkermordbeteiligte flohen ins Ausland, darunter Exbürgermeister Onesphore Rwabukombe, der 2002 nach Deutschland kam. Eine Auslieferung nach Ruanda lehnte die deutsche Justiz ab, stattdessen klagte sie ihn an. 2010 wurde er festgenommen, sein Prozess in Frankfurt dauerte von 2011 bis 2014.

„Mindestens 400 Menschen qualvoll getötet“

Nach Beginn der landesweiten Massaker an Tutsi am 7. April 1994 flohen viele Tutsi in Kirchen, auch nach Kiziguro in Murambi. Am 10. April beschlossen die Bürgermeister, darunter Rwabukombe, den Sturm auf das Gelände. Der erfolgte am nächsten Tag. Am Vormittag kamen die Bürgermeister, „um den Angriff auf das Kirchengelände zu befehligen und zu koordinieren“, so das Urteil von 2014.

Wie der BGH zusammenfasst, wurden in Kiziguro „mindestens 400 Menschen überwiegend mit Macheten, Lanzen, Knüppeln, Äxten, Beilen oder Hacken zumeist auf qualvolle Art und Weise getötet. Der Angeklagte, der bereits am Vortag in die Organisation des Massakers eingebunden gewesen war, rief den Angreifern zu Beginn der Aktion Aufforderungen zu wie ’Arbeitet‘ oder ’Fangt mit eurer Arbeit an‘, erkundigte sich später nach dem Stand der Tötungen, brachte mit seinem Fahrzeug weitere bewaffnete Hutu zu dem Kirchengelände und forderte die Angreifer auf, weiter zu töten.“

All dies habe das Frankfurter Gericht zutreffend festgestellt, so der BGH. Damit sei Rwabukombe als Mittäter zu verurteilen. Der Frankfurter Richter Sagebiel hatte zwar 2014 bereits zugestanden, Rwabukombes Tatbeitrag erreiche den „Grenzbereich zur Mittäterschaft“. Allerdings hielt er es nicht für erwiesen, dass das Massaker von Rwabukombes Befehl abhing, ebenso wenig, dass Rwabukombe „in der Absicht handelte, die Gruppe der Tutsi als solche ganz oder teilweise zu zerstören“ – das ist zur Feststellung des subjektiven Tatbestandes des Völkermordes nötig.

Diese Wertung nennt der BGH jetzt eine „rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung“ und gibt damit den Revisionsanträgen der Bundesanwaltschaft und der zivilen Nebenklage statt. Der Revisionsantrag des Angeklagten wird verworfen. Die Beweisaufnahme an sich wird vom BGH als „rechtsfehlerfrei“ gelobt.

Ein anderer Senat des OLG Frankfurt muss sich nun mit dem Fall befassen. Dabei werden nicht die Taten neu beleuchtet, sondern lediglich die Schlüsse daraus. „Es steht eine Verurteilung wegen Täterschaft mit der Folge einer lebenslangen Haftstrafe im Raum“, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Jörg-Peter Becker. Völkermordabsicht – aus der zwingend die Verurteilung als Mittäter folgt – bestehe auch dann, wenn Völkermord als Mittel zu einem anderen Zweck verübt werde. Bei Rwabukombe geht es darum, dass er durch seinen Einsatz seine Position als Bürgermeister retten wollte.

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