Bundestag stimmt Griechenlandpaket zu: Der Vollstrecker

Finanzminister Schäuble hat es geschafft: 453 Abgeordnete stimmen für das neue Hilfspaket in Höhe von 86 Milliarden Euro.

Schäuble im Bundestag

Wolfgang Schäuble gefällt sich wohl nicht in der Rolle des Zahlmeisters. Foto: dpa

BERLIN taz | Am Mittwoch um zwölf Minuten nach zwölf ist Wolfgang Schäuble am Ziel. Es war ursprünglich – das muss man bedenken – gar nicht sein Ziel gewesen. Aber er hat es wohl oder übel dazu gemacht. Schäuble, deutscher Finanzminister seit sechs Jahren, hat die Zustimmung der Abgeordneten des Bundestages für das dritte Griechenland-„Hilfspaket“ bekommen. Er hat vollstreckt, was er für das politisch gerade noch Machbare hielt.

Für die Kanzlerin.

Er habe mit sich „gerungen“, sagt Wolfgang Schäuble am Ende seiner zweiundzwanzigminütigen Regierungserklärung „Und weil das so ist, kann ich Sie aus voller Überzeugung bitten: Stimmen Sie dem Antrag zu.“ 453 der 585 Abgeordneten folgen Schäubles Bitte. Es gibt 18 Enthaltungen und 113 Gegenstimmen. Bedenkliche 63 davon kommen aus Schäubles eigener, der Unionsfraktion. Das 86-Milliarden-Euro-„Hilfspaket“ für Griechenland ist damit beschlossene Sache.

86 Milliarden, das ist eine derart riesige Summe, dass Wolfgang Schäuble sie in seiner Rede aufwändig mit Zahlen und Technokratensprech zu kaschieren versucht. Minutenlang bombardiert er das Plenum mit Fachtermini. Bankenrestrukturierung! Konditionalität! Schuldentragfähigkeit! Bruttofinanzierungsbelastung! Einschüchterung durch Kompetenzgehabe könnte man dieses Rhetorikmodell nennen.

Schäuble beherrscht es, er ist Fachmann. Und doch ist zu spüren, dass ihm dieser finanzpolitisch folgenschwere Vormittag im Bundestag alles andere als Vergnügen bereitet. Schäuble, der im Stande ist, glänzend, ja mitreißend zu reden, gibt diesmal allenfalls die Hälfte.

Notfalls gegen die eigene Überzeugung

Schräg hinter ihm sitzt Angela Merkel in der Regierungsbank. Aufmerksam hört sie ihrem Finanzminister zu. Die Kanzlerin soll es gewesen sein, die die politische Vorgabe machte, den Grexit mit allen Mitteln zu verhindern. Ihr Unterhändler Schäuble, der seinen Widerwillen gegenüber der neuen linken Regierung in Athen nur schlecht zu verbergen wusste, musste durchdrücken, was er von Anfang an als falsch angesehen hatte. Immerhin, zum Schluss setzte er ein hartes Sparprogramm durch, verbunden mit der kompletten Selbstaufgabe der Griechen. Tsipras, triumphiert Schäuble am Mittwoch in seiner Regierungserklärung, habe den Griechen Zusagen gemacht, die er nicht halten konnte. „Jetzt muss er das Gegenteil von dem machen, was er versprochen hat.“

Dennoch muss ihm die Rolle des Zahlmeisters schwerfallen. Doch er beugt sich Merkels Linie und vollstreckt, was ihr politisch opportun erscheint. Damit sie weich sein kann, muss er streng werden. Notfalls gegen die eigene innere Überzeugung. Kaum auszudenken, wie sie ohne ihren Finanzminister dastünde. Gäbe es ihn nicht, müsste Angela Merkel öffentlich zu ihren Überzeugungen stehen. Den Wählerinnen und Wählern dürfte das kaum gefallen. Aber noch hat sie ihn, diesen 72 Jahre alten Badener, der schon kraft seiner Erfahrung und Genauigkeit, seiner Cleverness und seiner immer wieder durchbrechenden Grantigkeit Autorität genießt wie sonst keiner im Parlament.

Er ist es, der seit Jahren das Geld zusammenhält. Er ist der Mann der „schwarzen Null“, des ausgeglichenen Haushalts. Und jetzt muss er die eigenen Leute überreden, Milliarden für Griechenland zuzustimmen? 63 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion stimmen schließlich gegen das Paket. Es ist eine gerade noch glimpfliche Zahl. Allein bei der Abstimmung über ein Verhandlungsmandat Mitte Juli hatten 60 Unionsabgeordnete ihre Zustimmung verweigert. Fraktionschef Volker Kauder hatte daraufhin einen – offensichtlich fruchtlosen – Versuch unternommen, die Neinsager einzunorden. Einer ihrer Wortführer, der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch, nennt denn auch die erneute Zahlung an Griechenland „unverantwortlich“.

Oppermann mit Seitenhieb auf Linke

Ebenfalls dagegen, wenngleich aus anderen Gründen, ist Gregor Gysi. Der Fraktionschef der Linken geht Schäuble direkt an: „Wenn Sie die anderen zerstören, zerstören Sie auch unser Land.“ 45 von Gysis Abgeordneten stimmen später mit Nein, sieben enthalten sich.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigt das Paket und spricht von einer „neuen Qualität“. Dass die Linke dagegen stimme, versteht er nicht; mit ihrem mehrheitlichen Nein falle sie dem Linken Tsipras in den Rücken.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wirft in seiner Rede Merkel vor, dem Zusammenhalt in Europa zu schaden. Die Bundesregierung habe „populistisch und uneuropäisch“ gehandelt, auch antideutsche Klischees bedient. In seiner Fraktion stimmen schließlich bei acht Enthaltungen 52 Abgeordnete mit Ja, einer mit Nein.

Der Vormittag im Bundestag, er war nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig für den Finanzminister. Wolfgang Schäuble hat getan, was zu tun war. Er hat Angela Merkel geholfen, ihre Entscheidung zu vollstrecken. Er hat Volker Kauder – wenn auch vergeblich – unterstützt, die Reihen der Union halbwegs geschlossen zu halten. Er hat getan, was einer wie er seit über vierzig Jahren unter politischer Pflichterfüllung versteht. Er hat sein Ziel erreicht.

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