CDU-Vorschlag gegen Parkprobleme: Auto sucht den Superschlafplatz

Parkplätze sind ein knappes Gut – und viele werden neuen Radwegen weichen müssen. Die CDU schlägt vor, Supermarktparkflächen über Nacht freizugeben.

So viel Platz – der kann bei gestressten AnwohnerInnen schon mal Begehrlichkeit wecken Foto: dpa

Viele BerlinerInnen leiden unter den Folgen des Autoverkehrs, verstopften Straßen, Lärm und schlechter Luft. Rund 1,2 Millionen Pkw sind im Land angemeldet, 100.000 mehr als im Jahr 2009, als der Tiefststand nach dem Mauerfall erreicht war. Aber auch die FahrerInnen leiden: unter den täglichen Staus und der zeitraubenden Parkplatzsuche.

Laut Verkehrsverwaltung macht der „Parksuchverkehr“ in manchen Vierteln bis zu 30 Prozent aller fahrenden Autos aus. Mit der Verdichtung der Stadt wächst der Druck weiter, gleichzeitig werden aufgrund des Mobilitätsgesetzes viele Parkplätze am Straßenrand sicheren Radspuren weichen müssen.

Einen Vorschlag, wie dieser Konflikt zumindest teilweise aufzulösen wäre, macht die CDU-Fraktion mit einem Antrag, der heute [Mittwoch] im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert wird. Geht es nach den Christdemokraten, soll das Parlament den Senat auffordern, „mit Einzelhandelsketten, die über eigenen Parkraum verfügen, in Verhandlungen zu treten, damit die Parkflächen den Anliegern in einem geeigneten Rahmen zur Verfügung gestellt werden können“. Sprich: Wo in den Abend- und Nachtstunden derzeit Betonwüsten vor Aldi, Penny, Lidl & Co. klaffen, könnten AnwohnerInnen bis zum Morgen die Familienkutsche oder den Zweitürer abstellen.

Das ist heute so gut wie nirgendwo möglich, ohne eine saftige Strafe oder das Abschleppen des Wagens zu riskieren – wenn die Zufahrt nicht ohnehin versperrt ist. Wie der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, der taz erklärt, müsste das Land den Unternehmern für diesen Deal auch eine finanzielle Kompensation anbieten. Verhandeln ließe man je nach Frequentierung der Parkflächen durch die Kundschaft auch über eine zeitlich gestaffelte Freigabe. Zur Kontrolle der Zwischen-ParkerInnen könnten die Ordnungsämter Personal abstellen.

Recht auf Parkplatz?

Dass der ADAC diesen Vorstoß begrüßt, ist nicht wirklich verwunderlich: „Eine Öffnung dieser Flächen könnte unserer Ansicht nach ein geeignetes Mittel sein, um den Parkdruck zu später Abendstunde und an Sonntagen zu mindern“, sagt Sprecherin Sandra Hass, die auch mit Zahlen aufwarten kann: Mehr als 1.100 Supermärkte gebe es in Berlin, bei durchschnittlich 50 Parkplätzen pro Standort sei also die Rede von etlichen zehntausend Parkplätzen. Nicht ganz unkompliziert, so Hass, sei die Frage der konkreten Umsetzung. Hier sei der ADAC „gerne bereit“, sich mit allen Beteiligten „zusammenzusetzen, um konkrete Lösungsvorschläge zu erarbeiten“.

Aber auch Heinrich Strößenreuther von der Agentur für Clevere Städte hält den CDU-Antrag für eine „pfiffige Idee“. Zwar hat der umtriebige Initiator des Volksentscheids Fahrrad selbst ein ganzes Bündel von Vorschlägen in der Tasche, wie der Parkdruck von der Stadt zu nehmen wäre, darunter eine massive Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, die Anhebung der Parkgebühren für AnwohnerInnen und deutlich höhere Bußgelder für FalschparkerInnen.

Sandra Hass, ADAC

„Der Vorschlag kann Parkdruck mindern“

Die Öffnung der Discounter-Parkflächen sei jedoch dazu geeignet, „Flächenengpässe vorübergehend abzupuffern“, ebenso wie Parkhäuser, die oft nicht ausgelastet seien. Dass die Allgemeinheit für die Parkplatz-Zwischennutzung aufkäme, fände Strößenreuther allerdings falsch: „Steuergelder des Senats dürfen auf keinen Fall verwendet werden.“

Da trifft er sich mit dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünenfraktion, Harald Moritz. Dass das Land bei den Marktbetreibern Parkraum kaufe, sei „den Steuerzahlern nicht zu vermitteln“ – und freiwillig würden die Firmen ihre Flächen nicht den AnwohnerInnen überlassen. „Die Bereitstellung von Parkplätzen ist aber auch keine öffentliche Aufgabe“, so Moritz kategorisch, „und es hat auch niemand einen Anspruch, sein Auto auf öffentlichem Straßenland abzustellen.“ Weil es das erklärte Ziel der rot-rot-grünen Verkehrspolitik sei, die Zahl der Kraftfahrzeuge zurückzudrängen, gehe der Vorschlag der CDU „vollkommen in die falsche Richtung“: „Ich folge diesem Antrag nicht.“

Dass es kein Recht auf einen Parkplatz gibt, betont auch Martin Schlegel, Verkehrsexperte beim BUND Berlin, auch wenn er eine Optimierung von Zeit- und Flächenmanagement „grundsätzlich ökonomisch sinnvoll“ findet. Er weist darauf hin, dass seine Organisation seit geraumer Zeit fordert, die großen innerstädtischen Flächen, die Discounter mit Flachbauten und Parkplätzen belegen, zur Verdichtung zu nutzen: „Wir wünschen uns da eine Bebauung mit Wohnungen“, so Schlegel. „Meinetwegen kann man dann ja auch über eine Tiefgarage reden.“

Dass der massive Wegfall von Parkplätzen an den Straßen am Widerstand der AutofahrerInnen scheitern könnte, glaubt Schlegel ohnehin nicht: „Die Verkehrspolitik wird nicht gegen die Mehrheit der Autofahrer durchgesetzt. Tatsächlich sind die Autofahrer eine Minderheit, wenn auch eine sehr lautstarke.“

„Wir stoßen Denkprozesse an“

Nüchtern betrachtet wird die Idee der ChristdemokratInnen ohnehin nicht auf fruchtbaren Boden fallen – die Koalition stimmt schon aus Prinzip gegen Anträge der Opposition. CDU-Mann Friederici glaubt dennoch, dass der Versuch nicht schadet: „Manchmal stoßen wir einen Denkprozess an, und unser Vorschlag wird am Ende als vermeintliches Regierungsprojekt verabschiedet.“

Zumindest die Verkehrsverwaltung stellt sich bislang nicht eindeutig gegen den Vorschlag. „Wir haben solche Vorstöße bislang nicht unternommen“, sagt Sprecher Jan Thomsen nur. Durch die berührten Eigentumsrechte und Haftungsprobleme handele es sich auch um „keine ganz triviale Frage“.

Sein Haus lege den Schwerpunkt ohnehin darauf, „mit attraktiven Mobilitätsangeboten bei Bahn-, Bus-, Rad- und Fußverkehr oder auch mit Sharing-Modellen den Bedarf an Stellplätzen im öffentlichen Raum eher zu verringern, als den Ort des Parkens zu verlagern“. Näheres, so Thomsen, werde „sich gegebenenfalls in der Ausschussdebatte ergeben“.

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