Cansu Özdemir über Kurden-Proteste in Hamburg: „Ich bin wütend“

Die Situation zwischen Kurd*innen und Türk*innen ist angespannt. Das liege auch an Repressionen, sagt Cansu Özdemir von der Hamburger Linken

Flaggen mit kurdischen Symbolen kassiert die Polizei gerne ein Foto: dpa

taz: Frau Özdemir, inwieweit hilft es, wenn Steine auf das türkischen Generalkonsulat geworfen werden, um auf die Situation der Kurden in Syrien aufmerksam zu machen?

Cansu Özdemir: Ich kann nicht sagen, dass das hilft. Ich kann nur sagen, dass politischer Druck notwendig ist. Es müssen Proteste sein, die darauf abzielen, dass im Fokus der Berichterstattung die Lage in Afrin in Syrien steht und nicht fliegende Steine gegen das türkische Generalkonsulat.

Wie schätzen Sie das Klima zwischen Türk*innen und Kurd*innen in Hamburg ein?

Es gab in den letzten Jahren immer mal wieder Konflikte. Von extremen Eskalationen würde ich nicht sprechen. Man muss aber sagen, dass die Situation im Moment sehr angespannt ist.

Cansu Özdemir,

29, stammt aus einer kurdischen Familie. Seit 2015 ist sie neben Sabine Boeddinghaus Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linken.

Wie könnte sich die Lage in Hamburg wieder entspannen?

Indem die Zivilisten in Afrin vor einem Massaker geschützt werden. Für die Kurden, Christen, Araber und andere ethnische und religiöse Gruppen in Afrin bedeutet das die Bedrohung der eigenen Existenz. Aus diesem Grund gehen seit 52 Tagen Menschen in ganz Europa auf die Straße und protestieren.

Sind Sie auch wütend?

Ja, ich bin wütend auf die türkische Regierung und auch auf die Bundesregierung, die Erdoğan in seinem völkerrechtswidrigen Krieg stärkt. Ich würde mir wünschen, weniger die Frage gestellt zu bekommen, ob uns auf den Straßen hier in Deutschland ein Konflikt zwischen Kurden und Türken droht, während Afrin kurz vor einem Massaker steht.

Nach Informationen der taz haben sich am Samstag nur wenige Nicht-Kurd*innen an der Demo beteiligt. Woran liegt die zögerliche Solidarität?

Es gibt viele Menschen ohne kurdischen Hintergrund, die sich stark solidarisieren. Problematisch sind die Repressionen gegen Unterstützer.

Was meinen Sie?

Wer mit den YPG/YPJ-Fahnen gesehen wird oder diese auf Facebook oder Twitter postet, muss damit rechnen ein Ermittlungsverfahren am Hals zu haben. Auf Demonstrationen in Hamburg werden Personalien aufgenommen. Es ist ein Versuch der Einschüchterung.

Die Interventionistische Linke hat dazu aufgerufen, selbstgebastelte YPG-Fahnen aufzuhängen. Wie finden Sie das?

Es wird weiterhin Menschen geben, die die YPG/YPJ-Fahnen zeigen, ob kreativ gebastelt oder als Fahne.

Sie haben ein Foto einer Flagge der PKK auf Twitter gepostet. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Sie.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Ermittlungsverfahren gegen mich überzogen ist. Für mich ist das eine Einschränkung meiner Meinungsfreiheit. Nachdem ich bei der Polizei zwei Spione des türkischen Geheimdienstes MIT angezeigt habe, bekomme ich Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und Fotos mit Leichen zugeschickt. Seit Beginn des Krieges gegen Afrin hat es sich verschlimmert.

Wer schickt Ihnen sowas? Türkische Nationalisten. Momentan kann mit Anhängern Erdoğans kein Dialog geführt werden. Wie soll das gehen? Mit Menschen, die den Kurden die Ausrottung wünschen?

Würden Gespräche, etwa mit dem Schura-Vorsitzenden Mustafa Yoldaş, der den türkischen Militäreinsatz gegen die Kurden in Nordsyrien gelobt hat, helfen?

Natürlich spreche ich mit Herrn Yoldaş auf professioneller Ebene. Aber ein Runder Tisch wird die Menschen in Afrin nicht vor einem Massaker bewahren.

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