„Citizen Science“-Projekte in Deutschland: Spazieren gehen für die Wissenschaft

Mit „Citizen Science“-Projekten soll das Interesse für Wissenschaft geweckt werden. Auch Forscher können davon profitieren.

Wissenschaftler sind auch an möglichst vielen Daten über den Lebenszyklus von Schmetterlingen interessiert. Bild: dpa

BERLIN taz | Schmetterlingsfreunde können ihren Ausflug in die Natur mit einer kleinen Forschungsexpedition verbinden. Entdecken sie auf bestimmten Routen eine der 146 Tagfalterarten in Deutschland, bittet das Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung um Meldung, am besten direkt in die Datenbank des Instituts.

„Wir kennen zwar die Arten, wissen aber noch wenig über die Situation und Entwicklung der Bestände“, sagt UFZ-Forscherin Elisabeth Kühn, die das Projekt „Tagfalter-Monitoring“ betreut. „Häufig kann man nur vermuten, warum bestimmte Arten aus einem Gebiet verschwinden oder bemerkt es nicht einmal.“ Seit acht Jahren geben rund 700 freiwillige Helfer ihre Beobachtungen an die Forscher weiter. Auch Naturschutzprojekte können auf diesen Daten aufbauen.

In dieser Woche ist die Volkszählung der Schmetterlinge online gegangen, als eines der ersten zehn „Citizen Science“-Projekte, die auf einer Plattform des Berliner Naturkundemuseums mit dem Titel „Bürger schaffen Wissen“ (www.buergerschaffenwissen.de) versammelt sind.

Hobbytaucher können melden, wie belastet die Binnenseen sind, Sterngucker indizieren die Lichtverschmutzung und den „Verlust der Nacht“; sogar die Kunstwissenschaft ist dabei und lässt Laien in dem Projekt „Artigo“ ihre digitalen Bildbestände mit Stichworten versehen, zwecks besserer Auffindung bei der Computersuche. Weitere Projekte sollen kontinuierlich hinzukommen.

Noch fehlen aber solche Vorhaben, die durch Bürger selbst definiert worden sind. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt, an dem auch die Initiative der deutschen Forschungsorganisationen „Wissenschaft im Dialog“ beteiligt ist, bis 2016 mit knapp 238.000 Euro.

In zehn Jahren überall Kontaktstellen

Einer der Motoren des Projekts ist Professor Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin. Er sieht im Thema Citizen Science eine neue Dimension im Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft. Der Mehrwert für die Wissenschaft liege darin, dass sich großflächige Daten einfacher beschaffen lassen. Aber zugleich zeigten gelungene Citizen-Science-Projekte den Bürgern, „wo und wie sie sich in die Forschung einbringen können“.

Vogel: „Langfristig hat Citizen Science das Potenzial, die gesamte Forschungslandschaft zu modernisieren.“ Der Museumschef erwartet, dass in zehn Jahren jede größere Wissenschaftseinrichtung in Deutschland eine Kontaktstelle für Bürgerwissenschaft unterhält.

Wie stark das Interesse am Thema ist, hat Peter Finke erfahren, der im letzten Monat ein Buch über Citizen Science vorgelegt hat. „Die Resonanz ist riesengroß, was mich zunächst gewundert hat, aber ich scheine einen Nerv getroffen zu haben“, sagte Finke der taz. Das Echo komme vor allem vonseiten der Zivilgesellschaft, den an Wissenschaft interessierten Bürgern, und noch nicht aus der etablierten Wissenschaft.

Die Internetplattform des Naturkundemuseums hält Finke noch für zu schlagseitig auf wissenschaftsdefinierte Projekte ausgerichtet, Bürgervorhaben müssten stärker hinzukommen. Aber die Tendenz für Bürgerwissenschaft sei positiv. Finke: „Die Plattform geht in die richtige Richtung“.

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