Clemens Schick übers Schwulsein: „Es sorgt für Irritation? Umso besser“

Schick spielt in dem Film „Praia do Futuro“ einen Mann, der sich in einen Mann verliebt. Inzwischen hat er öffentlich gemacht, dass ihm das auch in der Realität passiert.

Clemens Schick: „Es geht mir aber auch heute nicht darum, mein Privatleben von innen nach außen zu kehren.“ Bild: dpa

taz: Herr Schick, Sie spielen in „Praia do Futuro“ Konrad, der sich in Brasilien nach dem Tod seines Freundes in den Rettungsschwimmer Donato verliebt. Ihnen ist dieser Film sehr wichtig. Wieso?

Clemens Schick: Zum einen war „Praia do Futuro“ die erste internationale Produktion, bei der ich eine so große Rolle gespielt habe. Dann haben wir sehr lange geprobt – zwei Monate. Das gibt es im Filmbusiness kaum, weil es nur funktioniert, wenn man dafür wenig bezahlt wird, wie bei „Praia do Futuro“. Und dann natürlich das Team. Als Schauspieler ist man davon abhängig, was der Regisseur in einem sieht und was er von einem will.

Was wollte denn der Regisseur Karim Aïnouz von Ihnen?

Ich habe nicht groß mit ihm darüber gesprochen, wir haben anders kommuniziert. Aber er hat in mir was gesehen, was im Film noch niemand bei mir gesehen hatte. Und wollte von mir im Film etwas, was im Film noch niemand von mir wollte. Deshalb war ich auch so frei und konnte anders spielen, als ich es vielleicht bisher getan habe.

Können Sie das konkreter fassen?

Das ist schwierig zu beschreiben. Die Kommunikation zwischen Schauspieler und Regisseur findet auf so vielen Ebenen statt, eine von vielen ist die nonverbale. Die ist fast feinstofflich. Auf jeden Fall hatte ich das Gefühl, dass die Kamera einfach da ist, wartet und geduldig ist. Es war kein Druck da. Obwohl Karim Aïnouz ein sehr fordernder Regisseur ist.

Der Film wurde auf der Berlinale vorgestellt und schien einige zu irritieren …

… der Film beantwortet eben vieles nicht.

geb. 1972, studierte Schauspiel an der Berliner Schauspielschule und war für mehrere Jahre am Schauspiel Hannover engagiert, wo man ihn unter anderem im Solostück „Windows“ erleben konnte. 2006 wechselte er zum Film und ergatterte eine Rolle in der James-Bond-Neuverfilmung von „Casino Royale“. Seitdem hat er in zahlreichen Film-, Theater- und Fernsehproduktionen mitgewirkt, wie aktuell in „Point Break“.

Woher kommt dieses Bedürfnis vonseiten der Rezipienten und Kritiker, im Film alles erklärt haben zu wollen?

Ich kann das durchaus verstehen. Das Leben ist aber meiner Meinung nach meistens mehr als dieser Film. Ein großes Thema des Films ist Kommunikation oder Nichtkommunikation. Wie diese beiden Liebenden eben nicht miteinander kommunizieren. Ich finde das männlich.

Das finden Sie männlich?

Der Rettungsschwimmer Donato verliebt sich in den deutschen Afghanistan-Veteran und Biker Konrad. Donato hat Konrad im Meer vor Fortaleza am Praia do Futuro vor dem Ertrinken gerettet. Sie beginnen eine Liebesgeschichte, und Donato folgt ihm nach Berlin. In Deutschland, fern vom Meer, muss Donato mit seinem neuen Leben zurechtkommen. Er bricht alle Kontakte nach Hause ab. Acht Jahre später reist Donatos jüngerer Bruder Ayrton ihm nach. Ayrton will herausfinden, warum der Bruder, sein Held, ihn verlassen hat.

Regie: Karim Aïnouz. Mit Wagner Moura, Clemens Schick, Jesuita Barbosa. Brasilien/Deutschland 2013, 106 Min.

Die Form, wie die beiden nicht miteinander kommunizieren. Nicht, dass Männer nie miteinander kommunizieren, aber in diesem Fall finde ich das männlich.

Haben Sie in „Praia do Futuro“ tatsächlich Ihre erste schwule Rolle?

So bewusst ja.

Was meinen Sie damit?

Bewusst in dem Sinne, dass es im Film eine Rolle spielt, ohne dass es das bestimmende Thema ist.

Die Frage der Homosexualität wird in „Praia do Futuro“ nicht thematisiert und nicht problematisiert.

Es ging nicht um die politische Situation von Homosexuellen in der heutigen Zeit, das war überhaupt nicht das Thema. Es geht um eine Beziehung. Es geht einfach um zwei Männer, die sich zueinander hingezogen gefühlt haben. Ab wann jemand schwul oder nicht schwul ist, ist auch noch einmal eine andere Frage. Sind die beiden schwul? Ich weiß es nicht. Genau das hat mich interessiert. Ich kannte „Madam Satã“ von Karim Aïnouz und habe gemerkt, da interessiert mich jemand, wie er mit diesem Thema umgeht.

Und wie geht er mit diesem Thema um?

Ohne Klischees.

Schafft das dann eine Identifikation für das Publikum – fern jeglicher Geschlechteridentitäten und sexueller Orientierung?

Das hat mich an dem Buch so interessiert – dass es eigentlich unerheblich ist.

Sie selbst haben aber gerade beschlossen, den Medien zu sagen, dass Sie schwul sind. Zufall?

Der Moment der Premiere und dass ich es jetzt gesagt habe, das ist vielleicht Zufall.

Dabei haben Sie doch eigentlich gar keine Lust auf Kategorien, aber es schien Ihnen ein Bedürfnis zu sein, es genau jetzt zu sagen.

Genau wie in dem Film, ist es eigentlich für mich unerheblich, dass ich schwul bin. Weil es aber so unerheblich für mich ist, habe ich keine Lust mehr, einen Bogen drum zu machen. In dem Ignorieren dieses Fakts vor mir selber gebe ich dem mehr Gewicht, als dass ich irgendwann sage, es ist mir egal. Und deswegen kann ich auch drüber reden.

Warum diese Haltung gegen alle Labels?

Das interessiert mich einfach null. Ich habe gerade einfach nur für mich etwas verändert, und deswegen können wir jetzt auch anders über „Praia do Futuro“ reden.

Hätten Sie früher anderes über so einen Film geredet?

Ich denke schon.

Warum?

Weil ich einen bestimmten persönlichen Bezug zu der Rolle nicht erklären hätte können oder nicht erklärt hätte.

Weil Sie Fragen dazu früher einfach nicht beantwortet haben?

Genau. Es geht mir aber auch heute nicht darum, mein Privatleben von innen nach außen zu kehren. Das finde ich total langweilig.

Gleichzeitig geben Sie aber viel aus der Hand. Die mediale Reaktion können Sie jetzt nicht mehr steuern.

In dem, was und wie ich es gesagt habe, habe ich schon versucht, dem Ganzen eine Richtung zu geben, die ich haben wollte. Und mein Gefühl sagt mir, dass es auch gerade so aufgenommen wurde. Es wäre mein Wunsch, dass es keine Wichtigkeit mehr hat. Und dass ich als Mann, dem es so unwichtig ist, vielleicht mit ein paar Klischees aufräumen kann. Keine Ahnung, ob es zu hoch gegriffen ist.

Als Schauspieler sollte es ja eigentlich keine Rolle spielen, weil ja jede Figur gespielt werden kann und soll.

Ich habe schon so viele unterschiedliche Sachen gemacht, ob im Film oder im Theater. Die Quelle, woher ich das nehme, ist nach wie vor die gleiche geblieben.

Wäre es am Theater unproblematischer gewesen?

Da ist es überhaupt kein Thema. Es interessiert im Film, weil die Zuschauerzahl eine viel größere ist. Es interessiert die Leute gerade nicht, weil ich Schauspieler bin, sondern weil ich in der Öffentlichkeit stehe.

Es interessiert aber auch die Leute, weil Sie sich vielleicht einen gewissen Typus aufgebaut haben – der kernige, etwas mysteriöse Mann. Und wenn dieses Gerüst vermeintlich zusammenbricht, löst es eben Irritationen aus.

Wenn es für Irritation sorgt, umso besser.

Das machen Sie ja schon, wenn Sie im Interview mit den Zeitschriften Männer und Gala sagen, dass Sie sowohl Männer als auch Frauen lieben, aber schwul sind.

Ich will es ja niemanden einfach machen. Es geht am Ende um eine Neigung, das ist das Entscheidende. Es geht mir nicht darum, irgendetwas klarzustellen. Unser Leben ist so viel facetten- und nuancenreicher, als wir es vielleicht manchmal wünschen. Und zum Glück ist es das. Und da sind wir auch wieder bei „Praia do Futuro“. Das Leben, die Liebe ist oft nicht einfach zu zeigen.

Sexszenen scheinen ein großes Thema um Ihre Person zu sein. In „Hotel Desire“ haben Sie im Film Sex, und die Kamera hält drauf. „Praia do Futuro“ empfinden viele schon als explizit.

Immer wenn Schauspieler Sexszenen drehen, ist das ein großes Thema. „Hotel Desire“ ist ja auch nicht das gewöhnlichste Projekt, was man als Schauspieler macht. Ich habe Lust, erst einmal alles auszuprobieren und dann später zu sagen, weiß nicht, ob es ich noch mal machen würde.

Gibt es nie die Erwähnung oder die Frage, ob die Rolle oder der Film der Karriere dienlich ist?

Wenn man den Luxus hat, seinem Instinkt folgen zu können und die Projekte zu machen, wo einen irgendwas anspricht und man so materiell frei ist, dann ist das ein großes Geschenk als Schauspieler. Frei zu sein, in anderen Ländern arbeiten zu können, mit anderen Regisseuren zu arbeiten, jetzt gerade in einer großen Hollywoodproduktion zu sein. Das sind alles so unterschiedliche Welten und so unterschiedliche Erfahrungen. Solange ich diesen Luxus leben kann, bin ich als Schauspieler glücklich.

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