Clintons Vizekandidat Tim Kaine: Der eierlegende Wollmilchsenator

Kain ist ein Vertreter des Establishments. Für die Präsidentschaftskandidatin soll er weiße Arbeiter, Latinos und Katholiken gewinnen.

Hillary Clinton und Tim Kaine

Hillary Clinton und Tim Kaine bei einem Auftritt an der Florida International Universität am 23. Juli Foto: ap

PHILADELPHIA taz | Ja, er sei ein Langweiler, hat Tim Kaine neulich über sich selber gesagt. Wenn ihn die Leute in diese Schublade stecken wollten, wolle er gar nicht widersprechen. Parteifreunde, die ihn genauer kennen, widersprechen da schon. Sobald sich Kaine eine Mundharmonika an die Lippen halte, werde es alles andere als langweilig, meint der Senatsveteran Mark Warner, Kaines politischer Mentor aus dem Bundesstaat Virginia.

Für Hillary Clinton gilt die Auswahl des 58-Jährigen als Nummer sicher. Es hätte aufregendere Alternativen gegeben, Elizabeth Warren, Thomas Perez oder Cory Booker. Clinton hat alle drei in die engere Wahl gezogen, doch letztlich entschied sie sich für einen Praktiker, bei dem sie glaubt, dass er das Handwerk des Regierens beherrscht. „Ein Progressiver, der die Dinge gern erledigt bekommt“, sagt sie über ihn.

Es war nicht das erste Mal, dass Kaine für den Vizeposten gehandelt wurde. 2008 hatte ihn bereits Obama ernsthaft in Betracht gezogen, bevor er sich für Joe Biden entschied. Kaine war damals Gouverneur Virginias, und als einer der ersten Demokraten von Rang war er schon zum Außenseiter Obama übergelaufen, als sich die meisten in seiner Partei noch hinter Favoritin Clinton stellten.

Im rationalen Kalkül der früheren Außenministerin soll Kaine wohl vor allem eines erreichen: Er soll dafür sorgen, dass Virginia, wo es oft auf der Kippe steht zwischen Demokraten und Republikanern, im November Hillary Clinton wählt und nicht Donald Trump.

Für die weiße Arbeiterschaft

Darüber hinaus soll er die weiße Arbeiterschaft ansprechen, ein Milieu, dem Trump mit seinen Versprechen vom industriellen Wiederaufbau im Grunde seinen Aufstieg verdankt. Schließlich soll er in hart umkämpften „Swing States“ wie Florida oder Nevada punkten, in Staaten, in denen überproportional viele Hispanics leben. Seit er in Mittelamerika bei den Jesuiten lebte, spricht er fließend Spanisch.

Kaine stammt aus einfachen Verhältnissen, sein Vater arbeitete als Schweißer in Kansas City, wo er eine kleine Werkstatt betrieb. Der Junior besuchte eine Jesuitenschule, wollte Journalist werden, studierte zunächst an der University of Missouri und danach Jura an der prestigeträchtigen Harvard Law School.

In Harvard beschloss er auf halber Strecke, für neun Monate nach Honduras zu gehen, um an einer Jesuiten-Mission zu unterrichten. Dort lernte er Spanisch. Er habe die Tretmühle für eine Weile verlassen, über seine Lebensziele nachdenken wollen, sagt Kaine über das Kapitel.

Später heiratet er die Tochter eines bekannten Republikaners aus Virginia, in Virginia macht er Karriere: ab 1998 Bürgermeister der Stadt Richmond, ab 2006 Gouverneur, seit 2013 US-Senator.

In einem Satz: Kaine ist ein klassischer Vertreter jenes politischen Establishments, an dem enttäuschte Wähler ihren Ärger so heftig abreagieren wie lange nicht.

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