Comiczeichner Lewis Trondheim: Fantasy muss gefährlich sein

Der französische Autor erklärt, warum es im Comic Tragik und Gemetzel geben muss und warum die legendäre Reihe „Donjon“ zum Ende kommt.

Bunte und chaotische Comic-Szene

Gewalttätig und selbstironisch: Auschnitt aus der letzten Folge des „Donjon“. Illustration: Reprodukt

Der in Montpellier lebende Comiczeichner Lewis Trondheim steht – wie der klassische Donald-Duck-Zeichner Carl Barks – auf Enten. Sowohl in der Fantasyreihe „Donjon“, die der Franzose zusammen mit dem befreundeten Zeichner und Filmregisseur Joann Sfar konzipierte, als auch in seiner eigenen Reihe „Ralph Azham“ hat jeweils ein Enterich die Hauptrolle inne.

Trondheim gehört seit über 20 Jahren zu den produktivsten Zeichnern seiner Generation. Mit „Die erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase“ zeichnete er sich mit seinen antropomorphen Tierfiguren in die Herzen der Fans. Trondheims unverkennbar minimalistischer Zeichenstil und selbstironischer Humor hat auch deutsche Zeichner wie Mawil oder Flix beeinflusst.

Doch nun beenden Sfar und Trondheim ihre seit 1998 laufende „Donjon“-Reihe. Die 36 Bände entstanden oft in Kooperation mit weiteren Künstlern. „Das Ende vom Donjon“ (Reprodukt Verlag, Berlin 2015) soll der letzte Band bleiben.

taz: Lewis Trondheim, Sie gehören zur Pariser Künstlergruppe „L’ Association“. Sie galt eine Weile als zerstritten. Wie geht es der Gruppe jetzt?

Lewis Trondheim: Wir haben uns wieder zusammengerauft. Fünf der Gründungsmitglieder sind wieder dabei, und wir veröffentlichen im eigenen Verlag etwa zehn Bücher pro Jahr. Wir verstehen uns als Autoren-Zeichner, die auch eigenverantwortlich publizieren wollen.

Es gibt noch viele offene Stellen der „Donjon“-Reihe, die noch nicht erzählt worden sind. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, jetzt schon das Ende zu erzählen?

„Donjon“ war eine Idee von mir und meinem Kollegen Joann Sfar, deshalb war es auch eine gemeinsame Entscheidung. Joann ist in den letzten Jahren, neben seiner Tätigkeit als Comiczeichner und -autor, auch Filmemacher geworden (u. a. „Gainsbourg“, 2010) Da bleibt kaum noch Zeit, zusammen an Szenarios zu arbeiten. Da habe ich vorgeschlagen, nun das Ende zu schreiben, damit das Publikum nicht zu lange darauf warten muss und frustriert wird. Es geht nicht nur um Spannung – es ist auch nicht gut, wenn Figuren zu lange im „Niemandsland“ warten müssen. Für mich sind unsere Charaktere sehr lebendig und deswegen möchte ich sie nicht zurücklassen.

„Ralph Azham“ ist Ihre zweite große Fantasy-Serie. Was macht für Sie den Unterschied zwischen diesen beiden Fantasyserien aus?

Erst mal ist es keine Zusammenarbeit, „Ralph Azham“ habe ich allein konzipiert und dessen Abenteuer zeichne ich auch allein. Bei „Donjon“ schreiben Joann Sfar und ich die Geschichten und sie werden von befreundeten Künstlern gezeichnet. Es ist ein weit ausuferndes Universum. „Ralph Azham“ ist eine chronologisch ablaufende Erzählung, man kann den Figuren vom Anfang bis zum Ende folgen, eher subtil finden auch grundlegende Veränderungen statt. Bei „Donjon“ gibt es Alben, die sehr tragisch sind, geradezu düster, vor allem die von Killofer und Bézian gezeichneten. Andere aus der Nebenreihe „Donjon-Parade“ sind sehr parodistisch, manche liegen genau dazwischen. Bei „Ralph Azham“ hingegen gibt es immer einen vorherrschenden Ton: den der Tragikomik. Es gibt immer auch harte Momente, die durch amüsante aufgefangen werden.

Sie kämpfen gerne gegen die Regeln des Fantasy-Genres, parodieren sie.

Da muss ich widersprechen. Weder „Donjon“ noch „Ralph Azham“ sind gegen die Regeln entworfen. Ich benutze das Universum der Fantasy wie jedes andere echte Fantasywerk. Dabei gibt es stets tragische Momente, die sehr ernst genommen werden, fast wie bei „Der Herr der Ringe“. Typisch für das Genre ist, dass es keine zweite, tiefere Ebene gibt. Aber selbstverständlich spielt bei mir der Humor eine größere Rolle als bei J. R. R. Tolkien. Ich mag es gern so wie im richtigen Leben: einmal ist es tragisch, dann wieder komisch, manchmal geht das Leben zärtlich mit dir um, mal knüppelhart. Ich mag das Genre Fantasy deshalb so gern, weil es aktuelle Dinge aus unserer Zeit mit einer phantastischen Schicht überzieht. Man darf nicht vergessen, dass ich menschliche Geschichten erzähle, auch wenn es – oberflächlich gesehen – Fantasy-Abenteuer sind, doch in Wirklichkeit geht es den Figuren um Liebe, Macht, Anerkennung und Freundschaft – genau wie bei uns heute.

In „Donjon“ gibt es viele Gemetzel. Und selbst in der etwas gemäßigteren „Ralph Azham“-Reihe gibt es regelrechte Splatterszenen im Spaß-Stil. Muss das sein?

In einer Fantasywelt lebt es sich gefährlich. Dir kann alles Mögliche zustoßen, das möchte ich nicht verhehlen. Helden sollten nicht a priori unsterblich sein, denn dann existiert keine wirkliche Gefahr. Das wäre dann wie bei „Asterix“, wo man am Ende weiß, dass alle am Ende gemütlich ihr Wildschwein essen. Das ist für eine zeitgemäße Serie einfach nicht interessant genug. In einer destabilen Umgebung muss man sich bekämpfen, um zu überleben, sonst ist die Gefahr groß, nicht glaubwürdig zu sein.

Wenn man die ersten Alben von „Ralph Azham“ liest, ist man schockiert, dass Sympathieträger sterben wie der kleine Raoul und dass sich seine Freundin Claire vom guten zum bösen Charakter wandelt. Sie provozieren gerne?

Ich möchte Überraschungen erzeugen, der Leser sollte immer wachsam und sich nie zu sicher sein, was als Nächstes passiert. Auch im Leben gibt es böse Überraschungen, so auch bei Ralph Azham. Aber natürlich gibt es auch zum Ausgleich positive, Ralph soll nicht nur Pech haben.

Im Gegensatz zu „Donjon“ zeichnet sich „Ralph Azham“ durch eine chronologisch erzählte Geschichte und eine klare Dramaturgie aus. Wie umfangreich werden die Abenteuer sein?

Der erste Zyklus von „Ralph Azham“ umfasst sieben Alben. Dann geht es weiter. Daraus soll ein komplexes Universum entstehen. Ich schätze, dass ich noch ungefähr zehn Jahre brauche, um alles zu erzählen, was ich mit diesem „Helden“ erzählen möchte. Ich möchte etwas langfristig Gültiges schaffen, das die Moden überdauert. „Ralph Azham“ soll meine letzte „große“ Arbeit sein. Danach will ich mich zurückziehen, aufhören und was ich mit dem Comic ausdrücken wollte, gesagt haben.

Für viele Leser war es eine sehr traurige Angelegenheit, als Sie Herrn Hase, den Helden Ihrer ersten Erfolgsserie „Die erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase“ sterben ließen. Kann eine solche Figur noch mal eine Chance bekommen, eines Tages wiederaufzuerstehen?

Wenn ich dafür eine gute Idee hätte, warum nicht. Ich möchte mich aber nicht durch eine einzige Figur einschränken lassen. Ich mache so viele Sachen. Im Moment entstehen 18 sehr verschiedene Comics gleichzeitig. Ich switche gerne zwischen den Projekten. So langweile ich mich selber nie und schaffe eine gesunde Distanz zu meiner eigenen Arbeit.

Im Januar gab es in Paris den Anschlag auf die Zeichner und Journalisten des Magazins „Charlie Hebdo“. Was hat sich für Comiczeichner seither geändert?

Man sollte den Comic nicht mit der Pressekarikatur vergleichen, da gibt es viele grundlegende Unterschiede. Auch wenn wir Comiczeichner viele der Getöteten persönlich kannten und mit ihnen befreundet waren, hatten sie doch einen ganz anderen Job gemacht als wir. Sie waren politisch aktiver, viel mehr im Realen verhaftet, Comiczeichner hingegen sind eher Träumer. Ich glaube nicht, dass sich durch den Vorfall etwas Fundamentales geändert hat, es hat der Öffentlichkeit und der Gesellschaft aber gezeigt, dass die Zeichnung etwas sehr Wichtiges und Starkes sein kann.

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