piwik no script img

Ausstellung über ComputerspieleAus Nostalgie ein paar Atombomben werfen

Das Alliiertenmuseum in Dahlem zeigt, wie der Kalte Krieg bis ins Kinderzimmer reichte. Eine Ausstellung über Spiele als Spiegel politischer Angst.

Gameboy: Im Computerspielmuseum geht es um die Geschichte der Spiele und des Mediums Foto: Stephanie Pilick/dpa

Berlin taz | Die sowjetischen Armeen, symbolisiert durch rote Vierecke, stehen tief in westdeutschen Gebieten. Auch Norditalien ist in der Hand in der Roten Armee. Da helfen nur Atombomben: Die Bildschirmröhre des alten Amiga leuchtet kurz rot auf, dann erscheint ein pixeliger Atompilz. Die erste sowjetische Panzerarmee ist vernichtet.

Die Szene stammt aus dem Computerspiel „Conquer Europe“. Erschienen ist die Weltkriegssimulation 1989, als die Mauer noch stand und die Möglichkeit eines Atomkrieges sehr präsent war. „Man lebt in einer Angst der atomaren Eskalation. Warum spielt man die eigene Gefahr?“, fragt Veit Lehmann, Kurator der neuen Sonderausstellung im Alliiertenmuseum in Dahlem „Cold War Games“. Lehmann beantwort die Frage beim Rundgang durch die Ausstellung gleich selbst. Spielen ist menschlich, und der Mensch spielt, „um die eigene Realität, der man ohnmächtig ausgeliefert ist, zu bewältigen“.

Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Computerspielmuseum entstanden ist, schaut auf den Kalten Krieg durch das Medium Spiel. Eine lohnenswerte Perspektive, offenbart sie doch, wie stark sich der Ost-West-Konflikt auf den Alltag ausgewirkt hat. „Kauft kein Kriegsspielzeug“, steht zum Beispiel auf einem Plakat der DGB-Jugend aus den 80er Jahren, abgebildet ist eine Puppe, deren Gliedmaße von Panzern und Kampfflugzeugen abgesprengt werden.

Der Ausstellungsraum ist einer Küche in einer Westberliner Sponti-WG nachempfunden. Auf dem Tisch steht das Brettspiel „Klassenkampf“, in dem sich die Spie­le­r:in­nen gegen alle Widerstände der Bourgeoise in ein kommunistisches Utopia hocharbeiten müssen.

Monopoly-Kopie

„Spiele sind nicht nur affirmativ, sondern auch widerständig“, erklärt Kurator Lehmann. Das galt auch jenseits der Mauer. Computerspiele, die den dritten Weltkrieg simulierten, gab es in der DDR nicht. Die Spieleentwicklung war komplett in staatlicher Hand, Kriegsspiele waren Tabu. Auf dem „Poly-Play“, dem einzigen Spielautomaten der DDR, schießt man nicht auf Soldaten, sondern auf Hirsche. In „Druschba“, einem Brettspiel, werden die Errungenschaften der Sowjetvölker gefeiert.

Subversives mussten sich die DDR-Bürger selber schaffen. Ein Exponat zeigt eine selbstgemachte Monopoly-Kopie. Statt ins Gefängnis geht es hier zur Delegiertenversammlung, für die Aktionskarte „Verkaufe deinen Trabant“ bekommt der Spieler lächerliche 100 Ostmark.

Auch heute ist das Sujet des Kalten Kriegs in der Spielewelt beliebt, allerdings aus einem anderen Grund. „Heute wird nicht aus Traumabewältigung, sondern aus Nostalgie gespielt“, sagt Lehmann. Die einfache Binarität, Ost-West, Kapitalismus und Sozialismsus, hat in der heutigen, komplexen weltpolitischen Lage etwas Verlockendes. Bleibt die Frage: Welche Spiele werden wir in der Zukunft spielen?

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare