Das war die Woche in Berlin II: Müllers armselige Reaktion

Der Flüchtlingsrat kritisierte in einem Offenen Brief den Umgang mit gerade angekommenen Asylsuchenden. Den Regierenden ficht das nicht an.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller

Pfeift auf Offene Briefe: der Regierende Bürgermeister Michael Müller. Foto: dpa

Gesetzeswidriges Verhalten von Behörden hatte der Berliner Flüchtlingsrat in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Anfang der Woche angeprangert: Das für Flüchtlingsunterbringung zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) schicke Asylsuchende mit Hostelgutscheinen, die wegen der schlechten Zahlungsmoral des Amts kaum eine Herberge noch akzeptiere, wissentlich in die Obdachlosigkeit. Zudem kürze es den Flüchtlingen die ihnen zustehende finanzielle Hilfe um die Hälfte, was einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Existenzsicherung auch für Asylsuchende widerspreche.

Nun hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur (dpa) dazu Stellung genommen – Stellung genommen wohlgemerkt, denn geantwortet hat Müller ausdrücklich nicht. Er wolle auf den offenen Brief nicht antworten, sagte Müller der dpa, denn „das sei kein Weg, um wirklich mit­ein­ander zu reden, sondern man wolle hauptsächlich öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen“.

Hm, was soll man von solch einer Antwort eines regierenden Politikers halten?

Der Flüchtlingsrat, also das Sprachrohr und die Interessenvertretung von Menschen, die hier keinerlei politische Einflussmöglichkeiten haben, verfügt in Berlin über drei volle Stellen, finanziert aus EU-Geldern, Projektmitteln und von der Evangelischen Kirche. An einer der drei Stellen ist auch das Land Berlin beteiligt.

Zum Vergleich: Für den Flüchtlingsrat der nordrhein­west­fälischen Stadt Münster arbeiten 20 Leute. Münster ist mit knapp 300.000 EinwohnerInnen etwas kleiner als Neukölln. Das liefert einen kleinen Eindruck davon, wie wichtig die Arbeit die FlüchtlingslobbyistInnen hier genommen wird, welchen Einfluss sie damit auch geltend machen können.

Im Grundsatz hat der Regierende die Intention offener Briefe ja richtig verstanden: Sie dienen dazu, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Genutzt werden sie dafür oft von Institutionen oder Personen, die meinen, auf anderem Weg kein Gehör zu finden. Offene Briefe von JugendamtsmitarbeiterInnen haben zu Stellenaufstockungen geführt, Brandbriefe Berliner LehrerInnen zur Umstrukturierung des gesamten Schulsystems.

Dass Müller den Brief des Flüchtlingsrats nun auf diese Weise beiseite wischt, zeigt, dass auch ihm das Wohl der Flüchtlinge und ihre Menschenrechte kein großes Anliegen sind. Für einen regierenden Sozialdemokraten ist das wohlwollend interpretiert eine unprofessionelle, weniger wohlwollend eine armselige Reaktion.

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