Datensammeln in Europa: Die EU plant eine Touristendatei

Das Europaparlament stimmt der Vorratsdatenspeicherung für Reisende zu. Fingerabdrücke und Gesichtsbilder von Nicht-EU-Bürgern werden gespeichert.

Eine Frauschaut in ein Erkennungsgerät.

Augenkontrolle, Gesichtsdaten: Zukünftig soll alles gespeichert bleiben Foto: ap

FREIBURG taz | Die Europäische Union führt eine Vorratsdatenspeicherung für Touristen und Geschäftsreisende ein. Am Mittwoch stimmte das Europäische Parlament dem Aufbau eines Entry-Exit-System (EES, Ein- und Ausreisesystem) zu. Die Mehrheit betrug 477 zu 139 Stimmen. Grüne und Linke votierten dagegen.

Die neue Datei betrifft alle Nicht-EU-Bürger, die als Touristen oder Geschäftsleute legal in die EU einreisen. Ob sie ein Visum haben oder vom Visumzwang befreit sind (etwa US-Amerikaner), spielt keine Rolle.

Bei der Einreise werden die Fingerabdrücke von vier Fingern und ein biometrisches Gesichtsbild gespeichert. Die Daten werden erst nach zwei Jahren gelöscht. Wer länger als zulässig in der EU bleibt (zulässig sind 90 Tage innerhalb eines 180-Tage-Zeitraums), wird sogar vier Jahre gespeichert.

Pro Jahr gibt es über 500 Millionen Einreisen von Nicht-EU-Bürgern. Bisher erhielten sie bei der Einreise einen Stempel in ihren Reisepass, der aber oft nicht gut zu entziffern war.

Ziel: Einwanderungskontrolle

Die EU-Kommission schlägt deshalb schon seit 2008 ein Programm mit dem Titel „smart borders“ („intelligente Grenzen“) vor. Ursprünglich sollten sich regelmäßig Reisende regis­trieren können, um dann mit ihren biometrischen Daten vorrangig kontrolliert zu werden. Zu einem entsprechenden Umbau von Grenzanlagen und Flughäfen wollten sich die EU-Staaten aber nicht verpflichten lassen. Derartige Programme sind jetzt freiwillig.

Es blieb die obligatorische Datensammlung. Ziel ist nun zum einen die Einwanderungskontrolle. Künftig soll der Computer melden, wenn jemand zu lange in der EU bleibt. Wie viele „Überzieher“ es gibt, ist bisher nicht bekannt. Die Daten soll das Entry-Exit-System erst noch liefern. Wo sich ein Überzieher aufhält, weiß das System dann aber nicht.

Der Computer soll melden, wenn jemand zu lange in der EU bleibt

Als zweites Ziel kam 2016 noch die Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität hinzu. Die Sicherheitsbehörden sollen deshalb ebenfalls auf das EES zugreifen können. So könnte etwa ein getöteter Tourist anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert werden.

Das EES soll von der EU-Agentur für große IT-Systeme (EU-Lisa) in Tallinn (Estland) aufgebaut werden. Ab dem Jahr 2020 soll das EES startbereit sein. Eine Studie des Europaparlaments bezifferte die Kosten für ­Entwicklung und zehnjährigen Betrieb auf eine Mil­liar­de Euro.

„Unnötig und unverhältnismäßig“

„Das Entry-Exit-System ist unnötig und unverhältnismäßig“, kritisiert der grüne EU-Datenschutz-Experte Jan Phi­lipp Albrecht. „Hier werden alle Nicht-EU-Bürger unter Generalverdacht gestellt.“

Die Grünen berufen sich auf ein Gutachten, das der Europäische Gerichtshof im Juli dieses Jahres zur anlasslosen Speicherung europäischer Fluggastdaten in Kanada erstellt hat.

„Es ist ausreichend, wenn bei der Einreise im Schengen-Informations-System (SIS) nachgeschaut wird, ob etwas gegen die Person vorliegt“, sagt Albrecht. Die Abfrage im SIS ist heute schon vorgesehen. „Die EU-Staaten versäumen aber oft, ihre ­Erkenntnisse über Verdächtige ins SIS einzuspeisen“, kritisiert der Europaabgeordnete. „Lieber speichert man jetzt die Daten von Millionen Unverdächtigen.“

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