Deal mit Vattenfall: Müll-Öfen fürs Volk

Die Hamburger Stadtreinigung will Vattenfall zwei Müllverbrennungsanlagen abkaufen. Die Grünen finden, das sei Technik von gestern.

Technik von gestern: Diese Müllverbrennungsanlage in der Hamburger Borsichstraße will die Stadtreinigung von Vattenfall kaufen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Hamburger Grünen haben kritisiert, dass die Stadtreinigung (SRH) dem Vattenfall-Konzern zwei Müllheizkraftwerke abkaufen will. Damit lege sich die Stadt auf die nicht mehr zeitgemäße Verbrennung fest und erhalte Überkapazitäten, die ausgelastet werden müssten. „Genau den Fehler hat man vor 20 Jahren schon einmal gemacht“, sagt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Martin Bill mit Blick auf die langfristigen Verträge, die damals geschlossen wurden. Ein Kauf der Anlagen beschneide zudem die Möglichkeiten, eine klimaschonende Fernwärmeversorgung aufzubauen.

Die Müllverbrennungsanlagen (MVA) wurden damals gebaut, um die Müllberge in den Griff zu bekommen und die mit der Deponierung verbundenen Probleme wie giftiges Sickerwasser. Als Heizkraftwerke produzieren die MVA außerdem Strom und Fernwärme und spielen deshalb in die energiepolitische Diskussion hinein. Im Herbst haben die HamburgerInnen einen Rückkauf der Energienetze beschlossen und „eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“.

Der im Besitz der Stadt befindlichen Stadtreinigung schwebt vor, den Hausmüll künftig in nur noch zwei statt wie bisher vier Müllverbrennungsanlagen entsorgen zu lassen. Eine ältliche eigene Anlage würde sie stilllegen, den Vertrag mit einer weiteren auslaufen lassen. Übrig blieben zwei moderne, energieeffiziente Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 640.000 Tonnen pro Jahr statt bisher einer Million Tonnen. „Diese deutliche Kapazitätsreduktion wird nur durch die langfristige und konsequente Fortführung der laufenden Recycling-Offensive möglich“, sagt SRH-Geschäftsführer Rüdiger Siechau.

Das mutet wie ein Witz an, denn die Recycling-Offensive war nicht besonders erfolgreich. Mit 33 Prozent ist die Hamburger Recycling-Quote mies. In Bremen liegt sie deutlich höher. Doch schon so wäre eine Verbrennungskapazität von 640.000 Tonnen deutlich zu groß. Die Stadtreinigung müsste Müll aus dem Umland oder Kalabrien kaufen – auf ihr eigenes und damit des Bürgers Risiko.

Dabei sind die Hamburger Anlagen nicht die einzigen, die sich um den Kuchen balgen. Auch die Stadtwerke Bremen, die viel mehr Müll verbrennen können, als die Bremer machen, entsorgen Unrat aus ganz Nordwestdeutschland. Sie erwarten, dass „Anlagen mit einem deutlich schlechteren Effizienzwert aus dem Markt ausscheiden“.

Hamburg hat 2013 rund 770.000 Tonnen Hausmüll hinterlassen. 520.000 Tonnen davon wurden verbrannt, weniger als 4.000 Tonnen wiederverwendet, der Rest (33 Prozent) recycelt.

Die Verbrennungskapazität Hamburgs lag bisher bei einer Million Tonnen. Nach den Plänen der Stadtreinigung sollen es in Zukunft 640.000 Tonnen sein.

Anlagen: Von den vieren gehören die beiden jüngeren mehrheitlich Vattenfall; eines der älteren gehört den Stadtwerken, ein weiteres gehört E.on und EEW.

Bremen hat zuletzt 245.000 Tonnen Hausmüll erzeugt. 150.000 Tonnen davon (61 Prozent) wurden verbrannt.

Die Verbrennungskapazität Bremens liegt bei 850.000 Tonnen pro Jahr.

Aus Sicht der Grünen müsste die Recycling-Offensive den Restmüll viel stärker verringern. Die Emissionen aus Müllverbrennungsanlagen müssten „massiv reduziert werden, um eine deutschlandweite CO2-Einsparung von 80 bis 90 Prozent bis 2050 zu erreichen“, schrieb im Januar das Öko-Institut. Erst wenn klar sei, wie viel Müll zur Verbrennung übrig bleibe, könnten die Kapazitäten geplant werden, warnt der Abgeordnete Bill.

Ähnliches gelte für die Fernwärme. Der Volksentscheid sehe eine dezentrale Fernwärmeversorgung aus erneuerbaren Energien vor. Solange nicht klar sei, wie diese aussehen werde, sei es ein Fehler, sich zwei große Müllkraftwerke ans Bein zu binden.

Monika Schaal, Abgeordnete der regierenden SPD, versteht die Welt nicht mehr: „Wir dachten, die Grünen wären für mehr Rekommunalisierung und nicht weniger“, sagt sie. Anlagen in eigener Hand könne man bedarfsgerecht steuern. Gerade das sei ja das Kernargument der Grünen beim Netzrückkauf gewesen.

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