Debatte China und Donald Trump: Staatsfeind Nummer eins

Die Kommunistische Partei Chinas nahm Trumps Drohungen lange nicht ernst. Nun dämmert ihr: Der US-Präsident hat es auf China abgesehen.

Eine Skulptur eines Hahns sieht Trump ähnlich

Hat China Trump unterschätzt? Riesige – Trump-ähnliche – Skulptur in Taiyuan Foto: reuters

Noch vor wenigen Wochen gab sich die chinesische Führung selbstbewusst. Die USA hätten eine „heftige“ Reaktion zu erwarten, sollte Donald Trump seine zahlreichen Drohungen umsetzen, die er in den letzten Monaten geäußert hat: Handelskrieg, Anerkennung von Taiwan, militärische Operationen im Territorialstreit ums Südchinesische Meer. Wolle Trump es tatsächlich auf einen handfesten Streit ankommen lassen, werde China „angemessen“ antworten, schrieb im Januar kurz nach Trumps Amtseinführung die Volkszeitung, das Zentralorgan der regierenden Kommunistischen Partei.

Beim Davoser Weltwirtschaftsforum Mitte Januar gelang es dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping gar, sich als Vorkämpfer des freien Welthandels zu inszenieren – als Gegenpol zu Trumps Protektionismus. Er erntete bei der anwesenden Weltwirtschaftselite tobenden Applaus.

Schon im Wahlkampf wetterte Trump gegen die Volksrepublik. Er warf den Chinesen Währungsmanipulation vor mit dem Ziel, sich auf dem Weltmarkt mit Billigexporten einen Handelsvorteil zu erschleichen. Er bezichtigte China gar der „Vergewaltigung“ seines Landes. Konkret plant er, einen 45-prozentigen Strafzoll auf sämtliche chinesische Einfuhren zu erheben.

Nun erwägt er sogar, Taiwan anzuerkennen, aus Chinas Sicht eine abtrünnige Provinz und kein souveräner Staat – der Taiwan seit dem Ende des Bürgerkriegs von 1949 de facto aber ist. Die USA folgten bislang Pekings Ein-China-Politik. Trump ist der erste US-Präsident seit fast 40 Jahren, der an diesem Zustand zu rütteln wagt.

Doch Peking überrascht. Die chinesische Führung antwortet nicht wie sonst üblich trotzig und mit großem Machtgebaren. Sie ist um versöhnliche Töne bemüht. Geradezu flehentlich bittet Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den neuen US-Präsidenten darum, die mühsam aufgebauten Beziehungen nicht einfach über Bord zu werfen. Zusammenarbeit sei die beste Option für das US-amerikanisch-chinesische Verhältnis, wirbt sie. Beide Länder sollten auf Herausforderungen wie Terrorismus, globale Erwärmung und Gefährdung der Cybersicherheit gemeinsame Antworten finden.

Trump meint es ernst

So überraschend diese Kehrtwende auf den ersten Blick scheinen mag – sie verstärkt den Eindruck, dass Chinas Führung auf Trumps Attacken keine Antwort weiß. Allerdings hat Trump auch die TPP-Verhandlungen gekündigt – das Transpazifische Freihandelsabkommen war explizit als Gegengewicht zu Chinas wachsendem Einfluss vorgesehen. Über das Ende von TPP freut sich Peking.

Rein ökonomisch gesehen könnte China die Anfeindungen auch locker nehmen. Denn so leicht lässt sich das komplexe US-amerikanisch-chinesische Geflecht nicht auflösen. Zwar erwirtschaften die Chinesen seit Jahren einen gigantischen Überschuss im Handel mit den USA, doch geht er bereits seit einiger Zeit zurück. Angesichts sinkender Wachstumsraten im eigenen Land strömen sogar immer mehr chinesische Investoren ins Ausland. Und die USA als eine der wenigen großen Volkswirtschaften, die derzeit wachsen, gelten als besonders attraktiv. Im vergangenen Jahren haben chinesische Unternehmen mehr als 53,9 Milliarden US-Dollar in den USA investiert – so viel wie in keinem anderen Land.

Doch inzwischen dämmert der chinesischen Führung, dass es Trump gar nicht um ökonomische Wahrheiten geht und seine Angriffen nicht nur Wahlkampfgeschrei sind. Er will sich ernsthaft mit China anlegen. Mehr noch: Er hat China zum Hauptfeind erkoren.

Die größte Gefahr droht durch Trumps Hass auf China.

So macht er die Regierung in Peking derzeit auch für Nordkoreas nukleare Aufrüstung verantwortlich. China wirke zu wenig auf seinen einstigen sozialistischen Bruderstaat ein. Und an Hackingangriffen in aller Welt sind aus Trumps Sicht ebenfalls die Chinesen schuld – während er Russland zugleich in Schutz nimmt. Im Territorialstreit um das Südchinesische Meer schließt Trumps neuer ­Verteidigungsminister sogar einen militärischen Konflikt nicht mehr aus.

Und es könnte durchaus noch schlimmer kommen. Denn je deutlicher sich abzeichnen sollte, dass er seine innenpolitischen Versprechungen nicht erfüllen kann, desto stärker könnte der neue US-amerikanische Präsident auf außenpolitische Feindbilder setzen. Trump wäre nicht der erste Staatschef, der durch ein Feindbild im Ausland große Teile der Bevölkerung hinter sich zu scharen weiß. Umgekehrt wird sich auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nicht ewig zurückhalten – selbst wenn er wollte.

Chinafeindliches Getöse

An einem ernsten Konflikt mit den USA dürfte Xi derzeit nicht gelegen sein. Im November ist der nur alle fünf Jahre stattfindende Parteitag der Kommunistischen Partei, auf dem die Parteioberen über eine neue Führungsriege befinden werden. Xis zweite Amtszeit steht nicht zur Disposition. Aber wer außer ihm und seinem Premier Li Keqiang künftig in dem siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros, Chinas eigentlichem Machtzentrum, sitzen wird ist noch nicht ausgemacht.

Trumps chinafeindliches Getöse könnte Xis Machtgefüge schwächen. Schon mehren sich in Chinas sozialen Netzwerken die Stimmen, dass Xi zu schwach sei. Er müsse eine härtere Gangart gegen Trump einschlagen.

Experten in China wie auch in den USA empfehlen ein baldiges persönliches Zweiertreffen. Einem Egomanen wie Trump die Hand zu reichen könnte für Xi viel bewirken. Die beiden könnten sich sympathisch finden. Bislang ist allerdings nichts dergleichen geplant. Die nächste Gelegenheit könnte sich erst beim G-20-Gipfel im Juli in Hamburg ergeben. Doch auch dort ist eine persönliche Begegnung unter vier Augen nicht geplant. Die in Hongkong erscheinende South China Morning Post zitiert Stephen Yates, einen außenpolitischen Berater von Trump. Der hält es wie sein Chef: Diese Gipfel seien „Zeitverschwendung“.

Trumps innenpolitische Vorhaben bedeuten bereits viel Unheil. Auch seine angebliche Freundschaft mit Putin ist aus freiheitlicher demokratischer Sicht gefährlich. Doch die größte Gefahr droht durch seinen Hass auf China. Der ist konkret – und gefährdet die ganze Welt.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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