Debatte Militärdiktatur in Thailand: Regime der Angst

Drei Jahre nach dem Putsch ist Thailand im Würgegriff eines übermächtigen Militärs – und seines verhassten Königs.

Eine in den Asphalt eingelassene Bronzeplakette

Gestohlene Demokratie: Nicht nur die Plakette, die an die Verfassung von 1932 erinnerte, ist weg Foto: ap

Eines Morgens Anfang April war die in den Asphalt eingelassene Plakette auf mysteriöse Weise verschwunden. Es handelte sich um eine Gedenktafel, die an die friedliche Revolution von 1932 erinnert. An besagter Stelle auf dem Royal Plaza in Bangkok war damals der Übergang von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie ausgerufen worden. Anstelle der „Revolutionsplakette“ prangt dort nun eine, die die zentrale Bedeutung des Königshauses preist. Aktivisten, die Aufklärung über den mutmaßlichen Diebstahl verlangten, wurden verhaftet.

Dieses Vorgehen spiegelt einmal mehr die Lage im militärregierten Thailand wider. Seit dem Putsch vom 22. Mai 2014, in dessen Zuge die damalige Regierung von Yingluck Shinawatra, Schwester des bereits 2006 vom Militär gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra, entmachtet wurde, nehmen die Repressionen kein Ende: Verhaftungswellen, unfaire Prozesse vor Militärgerichten sowie drastische Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit.

In diesem Regime der Angst, in dem eine Clique alternder Militärs in Zweckgemeinschaft mit dem als verhasst geltenden, launenhaften und offenbar zunehmend machtbesessenen König Vajiralongkorn das Volk im Würgegriff hält, werden die Zustände immer bedrückender.

Demokratie à la „Thai Style“

Nicht erst seit Annahme der umstrittenen Verfassung in dem unfreien und unfairen Referendum vom August 2016 ist klar, dass die Armee „aus den Kasernen gekommen ist, um zu bleiben“, wie es in thailändischen Medien immer öfter heißt. Ein kürzlich vorgestellter, inhaltlich vage gehaltener „Masterplan“, der für künftige Regierungen bindend ist und vermeintlich auf Korruptionsbekämpfung und wirtschaftlichen Aufschwung abzielt, soll die Macht des Militärs langfristig zementieren.

Sollte es in naher Zukunft zu Wahlen kommen, was zu bezweifeln ist, hätten gewählte Politiker in einer „Thai Style Democracy“ allenfalls dekorativen Zweck. Ein von der Junta ernannter Senat sowie andere regimetreue Gremien haben ein Vetorecht, gewählte Volksvertreter derart zu gängeln, dass deren Spielraum gegen null tendiert. Auch ist die Ernennung eines ungewählten Regierungschefs möglich, der gewiss aus dem Militär selbst oder armeenahen Kreisen stammen dürfte.

Selbst die Implementierung der neuen Verfassung – Thailands zwanzigste seit 1932 – geriet, gelinde gesagt, holprig. Eigentlich hätte sie schon im Februar in Kraft treten sollen. Der am 1. Dezember zum König proklamierte Vajiralongkorn, Nachfolger seines im Oktober 2016 verstorbenen Vaters Bhumibol Adulyadej, hatte jedoch Änderungen gefordert, bevor er sie schließlich im April unterzeichnete.

Sollte es in naher Zukunft zu Wahlen kommen, hätten Politiker allenfalls dekorativen Zweck

Dabei ging es ihm nicht um den undemokratischen Inhalt, sondern um eigene Machtbefugnisse. So forderte der selbst von Royalisten verachtete, dreifach geschiedene Lebemann Vajiralongkorn, der in Bayern mehr zu Hause ist als in Bangkok, dass er während seiner häufigen Abwesenheiten keinen Regenten einsetzen müsse. Außerdem verlangte er die Überarbeitung einer Klausel, die anstelle des Königs das Verfassungsgericht als letzte Instanz in einer nationalen Krise benannte.

Derart brüskiert musste Juntachef Prayuth Chan-ocha gute Miene zum bösen Spiel machen. Schließlich waren die Machthaber auf Vajiralongkorns Unterschrift angewiesen. Der Umstand, dass das Verhältnis zwischen Militärs und Monarch den Charakter einer Zweckgemeinschaft hat, macht dieses umso unberechenbarer.

Zumal der Junta, die ihren Legitimationsanspruch einzig aus ihrer Beschützerrolle gegenüber dem Königshaus ableitet, das Verhalten Vajiralongkorns zunehmend peinlich sein dürfte. Zuletzt kursierte im Internet ein im Juni 2016 aufgenommenes Video, das den 64-jährigen Monarchen im bauchfreien Shirt zeigt, wie er mit einer seiner mutmaßlichen Geliebten durch eine Münchner Einkaufsmeile spaziert.

Bei einem Bombenanschlag auf ein Krankenhaus in der thailändischen Hauptstadt Bangkok sind am Montag mindestens 24 Menschen verletzt worden. Der Sprengsatz explodierte nach Angaben der Polizei in einem Aufenthaltsraum für ehemalige Soldaten. Zunächst gab es keine genaueren Hinweise auf die Täter. Der Anschlag ereignete sich auf den Tag genau drei Jahre nach der Machtübernahme in Thailand durch die Militärs.

Die Bombe explodierte gegen 11.00 Uhr vormittags (Ortszeit) im König-Mongkut-Krankenhaus, das nach einem früheren Monarchen (1804-1868) benannt ist. Es blieb jedoch bei verhältnismäßig geringen Schäden. Die meisten Verletzten wurden nach Berichten örtlicher Fernsehsender von umherfliegenden Glassplittern getroffen. Drei Verletzte befanden sich am Nachmittag noch in Behandlung. (dpa)

Es ist jedoch nicht allein das Playboy-Image, das die Militärs unterdrücken wollen. Vielmehr geht es um noch weitaus heiklere Umstände: Noch als Vajiralongkorn Kronprinz war, machten Nachrichten die Runde, dass diejenigen, die in Missgunst fielen, nicht nur degradiert, gedemütigt oder verhaftet wurden, sondern auch, dass einige seiner früheren Vertrauten eines mysteriösen Todes starben.

Thailand sei ein „Land der Angst unter Vajiralongkorn“, schrieb der im Exil lebende thailändische Politikwissenschaftler Pavin Chachavalpongpun kürzlich in der Japan Times und machte somit deutlich, dass nicht allein die Junta für das Klima der Unterdrückung verantwortlich ist. „Angst ist ein Mittel, seinen Untergebenen zu drohen und sie gefügig zu halten“, so Pavin über den neuen König. Diese Strategie gleiche jener von Mafiabanden. Pavin erhielt daraufhin Morddrohungen – nicht zum ersten Mal, wie er auf Nachfrage der taz erklärte.

Verbotene Kontakte zu Kritikern

Indes hält die Armee, die selbst für schwere Menschenrechtsverletzungen wie blutige Niederschlagungen prodemokratischer Proteste verantwortlich ist, an dem Monarchen fest, obwohl sich dessen Image, anders als bei Bhumibol, keineswegs als das eines liebenden „Vaters der Nation“ verkaufen lässt. Daher wenden die Militärs das von jeher politisch missbrauchte „Gesetz gegen Majestätsbeleidigung“ unerbittlicher an denn je.

Insbesondere drei „Staatsfeinde“ sind den Machthabern ein Dorn im Auge: Per Dekret verboten sie jeden Kontakt mit Pavin Chachavalpongpun, dem ebenfalls im Exil lebenden Historiker Somsak Jeamteerasakul sowie dem schottischen Autor, Thailand-Experten und scharfen Kritiker der Monarchie Andrew MacGregor Marshall.

Thailands Zukunft sieht düster aus. Mit einem König als Staatsoberhaupt, der sich ebenso wenig um Demokratisierung schert, beherrschen die Militärs die politische Arena. Regimekritiker mögen die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich die Zustände irgendwann ändern. Wie das passieren wird, kann derzeit niemand sagen. In der Vergangenheit endeten prodemokratische Volksaufstände wiederholt damit, dass das Regime sie gewaltsam beendete. Aber: Auf Dauer lässt es sich gegen den Willen des Volkes nicht regieren.

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