Debatte Neonazis in der Bundeswehr: Der Schaden kommt von rechts

Auch wenn es mühseliger ist: Statt über die Karriere der Verteidigungsministerin zu sprechen, sollte man lieber über Hakenkreuze reden.

Eine Frau in hellrosa Jacket und drei Männer in Bundeswehruniform begrüßen sich.

Ursula von der Leyen besucht das Jägerbataillon 291, wo Franco A. diente Foto: dpa

Jetzt, da Macron Europa fürs Erste gerettet hat, können wir uns wieder der Bundeswehr zuwenden. Bei all den Covern mit Frau von der Leyen und den Kommentaren über ihre Führungskultur vergisst man fast, dass wir hier die Chance haben, Klartext über hiesige Zustände zu reden – und zwar mal nicht nur über deutsche Einwanderer, sondern über deutschen Rechtsextremismus.

Wie immer, wenn es um Vergangenheitsbewältigung geht, auf die Deutschland gemeinhin so stolz ist, müssen sich im Zweifelsfall die Betroffenen zu Wort melden: Das Internationale Auschwitz-Komitee muss, vertreten durch seinen Vizepräsidenten Heubner, darauf hinweisen, dass für Holocaust-Überlebende allein der Gedanke, in einer deutschen Armee könnten Nazisymbole verherrlicht werden, unerträglich sei. Heubner verlangt eine Debatte über die Leitkultur der Bundeswehr – dabei hatte die CDU das Thema Leitkultur doch für Einwanderer reservieren wollen.

Eifriges Dekonstruieren

Immer braucht es für solche Debatten, wenn sie ernsthaft geführt werden sollen, die Stimmen der Betroffenen. Viele andere, die sich mit der Angelegenheit befassen, kümmern sich lieber um die politische Karriere der Verteidigungsministerin. So manche Kollegen Kolumnisten übertreffen sich gerade selbst in ihrem Bemühen, Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin zu dekonstruieren.

Weshalb braucht es die Forderungen des Auschwitz-Komitees, um die Wehrmacht-Verherrlichung wieder in den Mittelpunkt der Bundeswehr-Debatte zu rücken? Weshalb weisen andere lieber darauf hin, dass wir es hier mit einem Laden von 250.000 Leuten zu tun haben und bei so einer Größe eben immer welche darunter sind, die sich der Kontrolle entziehen? Wehrmacht-Verherrlicher als Quotenspinner abzutun ist schon eine verdächtige Verdrängungsleistung. Wir werden die Überlebenden und Zeitzeugen nicht mehr lange unter uns haben, Menschen, die uns mit ihren Schmerzen zur Besinnung rufen.

Es ist beschämend, wenn die Unzumutbarkeit rechtsextremer Verherrlichung in der deutschen Bundeswehr am Schmerz gemessen werden muss, den er bei Überlebenden auslöst. Wer in diesem Land noch nicht verstanden hat, weshalb die Vorkommnisse nicht ein Organisationsproblem unter ferner liefen sind, der lernt es wohl nicht mehr.

Vielleicht ist es auch einfach mühseliger, sich mit dem braunen Anteil in der eigenen Gesellschaft und Gegenwart zu befassen, als mit dem lapidaren Vorwurf, Ursula von der Leyen wolle sich selbst inszenieren. Das ist in etwa so entlarvend, wie einem Politiker vorzuwerfen, er strebe nach Macht. Mit dem Lärm um die Verteidigungsministerin wird die Chance vertan, ein Problem anzugehen.

Was geht in den Köpfen junger Männer vor, die Räume mit Hakenkreuzen schmücken?

Wer die Geschichte über den terrorverdächtigen Franco A. liest, stellt fassungslos fest, dass der Terror von allen Seiten kommen kann. So manche Gehirnwindungen der Jetztzeit stellen Romane und Filme in den Schatten. Die mutmaßlich geplante Tat ist in ihrer Perfidie schwer zu überbieten: Da will einer Terror gegen die eigene Gesellschaft ausüben, um sein fremdenfeindliches Weltbild bestätigt zu sehen und die Gesellschaft, die er verletzt, vermeintlich vor sich selbst zu schützen.

Damit will er vielleicht jene Kräfte im Land befeuern, die den Preis für Weltoffenheit für zu hoch halten. Bundeswehr-Kasernen mit Wehrmacht-Devotionalien und Hakenkreuzen sind Brutstätten solcher Pläne. Man muss sich nur junge Männer vorstellen, wie sie in diese Räume treten, sie schmücken – was geht währenddessen und danach in ihren Köpfen vor? Was geht in den anderen vor, die daran vorbeigehen, nichts dazu sagen und nichts dagegen unternehmen?

Und da kommen ernsthaft einige Kollegen Kolumnisten darauf, zu fragen, wie man mit Frau von der Leyen umginge, wäre sie Managerin bei Siemens. Wenn eine Siemens-Führungskraft vor Problemen steht, dann hat ein Privatunternehmen Probleme, und es gibt auch dort Fälle, wo diese Probleme von öffentlichem Interesse sind. Die managementbewandten Kollegen verlieren dabei aus dem Blick, dass Siemens, zum Beispiel, der Charta der Vielfalt beigetreten ist und ein Diversitätsmanagement betreibt, von dem die Bundeswehr, wenn sie es in derselben Art einführen würde, durchaus profitieren könnte.

Wenn bei Siemens einer auf die Idee käme, einen Raum zu dekorieren, der dem Zweck diente, die Wehrmacht zu verherrlichen, so würde das vermutlich von einer Menge internationaler Mitarbeiter bemerkt, angesprochen und nicht geduldet werden. Vielleicht müsste es nicht erst in die Öffentlichkeit, weil die interne Kontrolle greifen würde.

Klares Benennen

Die Bundeswehr aber ist kein Unternehmen und immer von öffentlichem Interesse, weil sie, selbst wenn man Pazifist ist, in unserem Namen agiert. Wer an der Spitze der Bundeswehr steht, der steht nicht nur nach innen in der Verantwortung, sondern mindestens so sehr nach außen. Eine Verteidigungsministerin ist keine Chefin, wie wir sie aus dem Büro kennen. Frau von der Leyens Weg, sich inhaltlich klar gegen die rechtsextremen Vorkommnisse zu stellen und die Zustände öffentlich anzuprangern, ist tragbarer als das Kleinreden und Vertuschen. Ihr Pauschalisieren schadet der Sache, das öffentliche und klare Benennen nicht.

Man könne nicht drei Jahr Chefin der Bundeswehr sein und sich nun überrascht zeigen von den internen Vorgängen, so wiederkäut es öffentlich. Und während alle über die Person von der Leyen diskutieren, tritt das Problem des Rechtsextremismus in den Hintergrund, begleitet von hysterischen Politiker-Tweets, die das alte Lagerdenken der Parteien noch einmal vorführen. Und dabei bestätigen, weshalb es wichtig ist, was Emmanuel Macron uns gerade vorlebt: dass wir dieses Auslaufmodell der politischen Organisationen, genannt „Volksparteien“, bald schon hinter uns lassen könnten.

Und die Grünen, von denen man in diesem Wahlkampfjahr ohnehin kaum etwas hört, die bleiben auch bei diesem Thema, das eigentlich eines ihrer Urthemen wäre, ihrer Wahlkampfstrategie von 2017 treu: bloß nicht zu relevant werden.

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