Debatte um Ruderin Nadja Drygalla: Rufmord oder notwendige Aufklärung?

Die Ruderin Nadja Drygalla ist mit einem Nazikader zusammen und verlässt das olympische Team. Hat Nadja Drygalla das verdient? Das Pro und Contra.

Medien stellen die deutsche Ruderin Nadja Drygalla an den Pranger. Sie selbst ließ Zeit für Vermutungen Bild: dapd

PRO: Sie hat es verdient

Nadja Drygalla ist am Boden zerstört. Nicht etwa, weil ihr Freund versucht, die siechende Rostocker Neonaziszene zu beleben, sondern weil ihre Beziehung ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde. Doch wer sich mit Nazis ins Bett legt, soll sich über den entstehenden Modergeruch nicht wundern.

Noch vor wenigen Monaten hat Drygalla ihre gesicherte Zukunft als Polizistin für ein Leben an der Seite eines Verfassungsfeindes aufgegeben. Nun will sie uns weismachen, sie habe mit rechter Ideologie nichts zu tun. Wie heuchlerisch! Bestand ihre fünfjährige Beziehung etwa nur aus Vögeln und Schweigen? Nein, fünf Jahre an der Seite eines Nazikaders bedeuten Zustimmung. Im schlimmsten Fall. Oder Gleichgültigkeit. Im allerschlimmsten Fall.

Dass die Nazibraut nun um Mitleid, mindestens Verständnis bettelt – geschenkt. Aber dass sie sich mit dem Hinweis zu rechtfertigen versucht, ihr Kaderjunge sei schon im Mai aus der Szene ausgestiegen, ist infam. Weder rechtfertigt das ihre Liaison bis zu diesem Zeitpunkt, noch erklärt es, warum der unfeine Herr Fischer noch Mitte Juni einen Artikel auf einem rechtsextremen Internetportal veröffentlichte.

Die Causa Drygalla wirft aber auch ein schlechtes Licht auf die deutschen Sportverbände, die wieder einmal mit Ignoranz und Unwissenheit glänzen oder der Athletin gar nach kurzer Befragung eine einwandfreie Gesinnung attestieren. Aus dem Block der Schweiger und Verharmloser tritt einzig Carina Bär, die mit Drygalla im Achter sitzen musste, hervor. Über die politische Gesinnung ihrer, so darf man hoffen, Exkollegin sagt sie: „Bei ihr war es ein offenes Geheimnis.“ Noch Fragen? ERIK PETER

CONTRA: Sie hat es nicht verdient

Noch liegt vieles im Dunkeln in der Causa Drygalla. Nach wie vor ist nicht geklärt, ob, und wenn ja, wie diese Sportlerin mit der rechten Szene verbandelt ist. Ob sie also die Weltanschauungen ihres Freundes akzeptierte oder womöglich sich selbst in rechtem Umfeld bewegt hat. Nirgendwo findet sich eine rassistische Äußerung Drygallas.

Die mediale Öffentlichkeit ignoriert das konsequent. Sie stützt sich auf Unterstellungen und eilig geklöppelte Schlussfolgerungen, auf halbgare Äußerungen aus dem Umfeld der Ruderin und setzt einen rechtsextremen Lebensgefährten mit rechtsextremer Gesinnung gleich. Ohne dass Drygalla sich hätte rechtfertigen können – dass sie es musste, ist bedenklich genug –, stand sie über Nacht unter Generalverdacht.

In einem Staat mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung ist das unverantwortlich. Dass sich der Fall so entwickelt hat, ist die Schuld mehrerer Parteien: Medien stellten Drygalla früh an den Pranger, der Deutsche Olympische Sportbund hat sich mit seiner hasenherzigen Informationspolitik blamiert. Und Drygalla selbst äußerte sich spät, ließ selbst viel Raum für Mutmaßungen. Nun trägt sie allein den Schaden: Sie ist auf unbestimmte Zeit stigmatisiert, ihr Antrag auf Aufnahme in die Sportförderung der Bundeswehr vorerst eingefroren.

Keine Frage: Die Gefahr rechter Tendenzen im Sport soll nicht verniedlicht werden. Eine Binse, das überhaupt betonen zu müssen. Sollte sich diese Ruderin als Nazisse erweisen, kann das nicht akzeptiert werden. Doch der Stand der Dinge ist: Wir wissen nicht viel. Solange das der Fall ist, kommt die Verhandlung des „Falls“ Nadja Drygalla Rufmord gleich. JANNIS CARMESIN

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