Debatte um SPD-Themenparteitage: Wir müssen reden

Diskussionen, Argumente, Streit? Ja, bitte! Basisgenossen fordern monothematische Parteitage. Auch SPD-Bundesvize Schäfer-Gümbel ist dafür.

Thorsten Schäfer-Gümbel mit erhobenem Zeigefinger

Thorsten Schäfer-Gümbel: „Wir müssen Räume für solche Zukunftsdebatten schaffen“ Foto: dpa

BERLIN taz | Das Antragsbuch für einen normalen SPD-Parteitag liest sich wie ein kunterbuntes Sammelsurium. Meist über hundert Seiten dick, ist darin alles versammelt, was das Herz der Basis bewegt. Ideen für Pflege, für Schulen, für andere Arbeitsmarktpolitik – alles steht einträchtig nebeneinander, egal, ob wichtig oder unwichtig. Auf dem Parteitag wird dann nur ein Bruchteil davon wirklich besprochen.

Nun gewinnt in der SPD eine Idee an Fahrt, die das ändern könnte. Ein Antrag für den SPD-Parteitag am 22. April in Wiesbaden schlägt vor, monothematische Parteitage zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen einzuberufen. Der Plan hat prominente Unterstützer. „Die SPD muss wieder der Ort gesellschaftlicher Debatten sein“, sagte SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel der taz am Montag. Wer Visionen formulieren wolle, müsse sich Zeit nehmen für Diskussionen, Argumente und auch Streit in der Sache, sagte Schäfer-Gümbel. „Unser Sozialstaat ist ohne Veränderung nicht zukunftsfähig. Wir müssen Räume für solche Zukunftsdebatten schaffen, dafür halte ich eigene Parteitage zu einem Schwerpunkt für eine sehr gute Idee.“

Neu wäre: Auf einem solchen Themenparteitag würde nur ein einziges Großthema gebündelt und ausführlich diskutiert. Auch Malu Dreyer, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, sympathisierte neulich in einem Interview mit dem Plan. Für den Bundesparteitag am 22. April ist bereits ein entsprechender Antrag der Berliner SPD-Abteilung Friedrichsfelde-Rummelsburg fertig formuliert. In dem Papier, das der taz vorliegt, heißt es: Auf monothematischen Parteitagen „soll ohne akuten Entscheidungsdruck, etwa durch Regierungshandeln, ein Zukunftsprogramm für wichtige inhaltliche Fragen entworfen werden“.

Die BasisgenossInnen machen auch Vorschläge für mögliche Themen. Zu den Zukunftsfragen, die die SPD inhaltlich aufarbeiten müsse, gehöre etwa „die Frage der Arbeitsgesellschaft der Zukunft und wie soziale Sicherungssysteme auch in zwanzig, dreißig Jahren noch funktionsfähig und verlässlich sein können“. Hierzu habe der Berliner SPD-Landeschef Michael Müller mit dem solidarischen Grundeinkommen einen Impuls gegeben, der auf einem Bundesparteitag fortentwickelt werden könnte.

Über Zukunft der Sozialsysteme sprechen

Laut dem Antrag soll es vor einem solchen Themen-Parteitag eine mehrmonatige Vorbereitung geben, damit SPD-Gliederungen Zeit haben, Vorschläge einzubringen. Ein Parteitag zur Zukunft der Sozialsysteme oder zu einem solidarischen Grundeinkommen wäre für die SPD-Spitze nicht ohne Brisanz. Dahinter verbirgt sich für manche eine Abkehr von den Hartz-IV-Gesetzen, die die SPD unter Gerhard Schröder selbst erfunden hat. Müller argumentiert etwa, dass es „keine gesellschaftliche Akzeptanz für Hartz IV“ gebe – und wirbt für nach Mindestlohn bezahlte kommunale Jobs für Arbeitslose.

Die Idee eines Parteitags zum Neustart sozialer Sicherungssysteme tauchte zum ersten Mal in einem Thesenpapier von vier jungen SozialdemokratInnen auf. Überschrift: „Anleitung zur Radikalisierung der Sozialdemokratie“. Die AutorInnen fordern unter anderem eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit, ein Ende der Hartz-IV-Sanktionen und eine Kindergrundsicherung.

„Wir reden in der SPD oft über kleinteilige Verbesserungen“, sagte Luisa Boos, Mitverfasserin und SPD-Generalsekretärin in Baden-Württemberg. „Es ist an der Zeit, grundsätzlich über die Zukunft der Sozialsysteme zu sprechen – und radikalere Antworten zu geben.“ Sie werbe für eine Kindergrundsicherung, die Hartz-IV-Leistungen ersetzen würde.

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