Demeter-Vorstand zu Discounterverkauf: „Keine Reaktion auf dm“

Demeter-Waren könnte es künftig auch in konventionellen Läden geben. Alexander Gerber erklärt, warum er diesen Kurs für sinnvoll hält.

Eine Mitarbeiterin überwacht die Abfüllung von Demeter-Milch

Demeter-Milch bald auch im Discounter? Auf keinen Fall, sagt Demeter-Vorstand Gerber Foto: dpa

taz: Herr Gerber, gibt es bald Demeter im Discounter?

Alexander Gerber: Das halte ich für ausgeschlossen. Unsere Vertriebsgrundsätze können die Discounter nicht erfüllen. Discount und Demeter passen nicht zusammen.

Aber am Mittwoch stimmt die Delegiertenversammlung über ein neues Vertriebskonzept ab. Bisher gab es Demeter vor allem in Hof-, Bioläden und Reformhäusern. Mit dem neuen Konzept könnten die Produkte in normalen Geschäften verkauft werden. Wie sehen die neuen Kriterien aus?

Wir setzen Maßstäbe für die Qualität der Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette. Zum Beispiel muss ein bestimmter Mindestumsatz mit Biolebensmitteln erreicht werden, bei den Handelsunternehmen sind das 6 Prozent. In jedem Produktbereich des Sortiments muss es mindestens ein Demeterprodukt geben. Mindestens 10 Prozent des Bioumsatzes muss mit Demeter-Ware erzielt werden. Darüber hinaus müssen die Unternehmen Betriebsentwicklungsgespräche mit Demeter führen, das Personal muss geschult werden, es muss Informationsmaterial vorgehalten werden. So beachten wir erstmals auch Qualitätsfragen auf der Handelsebene, das ist wirklich innovativ.

Sie schließen nicht aus, an dm zu liefern. Dabei handelt dm wie ein Discounter.

Der Markt für Baby- und Kindernahrung wird zu 80 Prozent über Drogeriemärkte abgedeckt. Darin hat Bio- und Demeter-Ware einen sehr hohen Anteil. Wir könnten uns schlichtweg nicht erlauben, diesen Markt nicht zu bedienen. Die Verbraucher erwarten dort diese Qualität, und wir kommen der Nachfrage gern nach. Außerdem ist das ein wichtiger Markt, wo Kunden in den Erstkontakt mit Demeter-Produkten kommen. Allerdings müssen sich die Drogerien an unsere Kriterien halten.

Der 50-Jährige ist seit 2013 Vorstand von Demeter. Zuvor war er Geschäftsführer beim Bund Ökologische Landwirtschaft (BÖLW).

Reagieren Sie mit dem Konzept auf Druck von dm? Bevor dm Alnatura ausgelistet hat, war das Unternehmen dort mit biodynamischen Babywaren vertreten. Man munkelt, dm habe ein eigenes biodynamisches Label einführen wollen.

Nein, der Strategiewechsel ist keine Reaktion auf dm und Alnatura. Demeter hat schon vor drei Jahren begonnen, die Grundsätze dafür zu entwickeln, was jetzt zur Abstimmung steht. Natürlich hat dm ein Interesse, biodynamische Qualität anbieten zu können. Mit der neuen Vertriebsstrategie würden wir auch ein biodynamisches Siegel einführen, das den Unternehmen neben der Demeter-Marke zur Verfügung steht. Bisher konnte das nur Alnatura nutzen.

Heißt das: Bioläden verkaufen künftig Waren mit Demeter-Logo – Edeka, dm & Co. bekommen nur die mit dem neuen Siegel?

Ganz so einfach ist es nicht. Wir unterscheiden danach, wer welche Kriterien einhalten kann: Das biodynamische Siegel steht dafür, dass die Richtlinien für Erzeugung und Verarbeitung eingehalten werden. Die Marke Demeter ist das allumfassende Qualitätsversprechen, für das auch der Handel seine Qualität nachweisen muss. Die Naturkostbranche kann solche Regeln natürlich viel einfacher einhalten als der Einzelhandel.

Die meisten Ökolandwirte in Deutschland sind in Anbauverbänden organisiert, deren Kriterien zum Teil über die EU-Vorschriften für Ökolandbau hinausgehen.

Der Demeter-Verband steht für die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Ihre Grundlagen beruhen auf Vorträgen des ­Anthroposophen Rudolf Steiner. Die Richtlinien des Verbands gelten als besonders streng. (taz)

Das ist doch total verwirrend?

Unter reinen Marketinggesichtspunkten würde man sagen: Okay, wir haben die eine Marke; wer die Kriterien erfüllt, macht mit. Aber die Realität ist komplizierter: Wir haben etwa Hersteller, die sehr naturkostbezogen sind. Sie würden ihre Zweitmarke gern mit einem Siegel ausloben, um biodynamisch hergestellte Ware auch als solche über andere Kanäle vermarkten zu können.

Hätten Sie sonst Probleme, alle Produkte abzusetzen?

Wir sind historisch in eine unhaltbare Situation hineingewachsen. Wir hatten eine Fachhandelsstrategie, haben also nur an Biomärkte, Reformhäuser etc. geliefert. Es gab aber Ausnahmen. Zum Beispiel im Chiemgau: 90 Demeter-Landwirte, alles Milchbauern. Die Molkerei hat gesagt: Wir würden eure Milch als Demeter-Milch vermarkten, aber wir können das nur über Edeka absetzen. Also gab es Demeter-Milch bei Edeka. So haben wir jetzt eine Reihe von Sonderfällen und können nicht mehr plausibel erklären, warum die einen dürfen und die anderen nicht. Zudem vermarkten wir aktuell 40 Prozent der biodynamisch erzeugten Produkte außerhalb des Naturkostfachhandels, zwei Drittel davon ohne Demeter-Auslobung als Bio-Ware. Wir möchten das alles natürlich als biodynamische oder Demeter-Ware anbieten.

In der Branche ist die Zuwendung zum konventionellen Handel umstritten. Wie gespalten ist Demeter in Hinsicht auf die neue Strategie?

Die Wogen haben sich geglättet, wir haben an einzelnen Punkten nachgebessert. Wir geben dem Ganzen jetzt den Charakter eines Pilotprojekts und werden einen Fachbeirat einrichten, in dem Mitglieder der einzelnen Strömungen sitzen. Nach der Beschlussfassung werden wir die Entwicklung evaluieren. Gegebenenfalls werden wir gemeinsam an einer Anpassung arbeiten.

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