Demo gegen Reform für besseres Wasser: Bauern wollen weiter zu viel düngen

Landwirte kritisieren eine geplante Reform, die das Wasser besser vor Nitrat etwa aus Gülle schützen soll. Experten widersprechen.

Eine Puppe hängt an einem Traktor und baumelt an einem Galgen mit dem Schild: "Ist der Landwirt tot gibt es kein Brot".

„Ist der Landwirt tot gibt es kein Brot“: Manche Bauern sehen ihre Existenz gefährdet Foto: dpa

BERLIN taz | Tausende Bauern haben am Donnerstag in Münster gegen die geplante Reform des Düngerechts demonstriert, die das Grundwasser besser schützen soll. „Angesichts immer neuer Auflagen verlieren viele Bauernfamilien – vor allem unsere jungen Leute – mittlerweile den Glauben an eine erfolgreiche Zukunft in der Landwirtschaft“, sagte der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands, Johannes Röring, bei der Kundgebung. Diese Mitgliedsorganisation des von konventionellen Betrieben dominierten Deutschen Bauernverbands gehörte zu den Veranstaltern der Demonstration.

Die Bauern bringen laut Behörden im Schnitt auf jeden Hektar Land jährlich etwa 100 Kilogramm mehr Stickstoff aus Düngern wie Gülle aus, als die Pflanzen aufnehmen können. Der Überschuss landet zum Beispiel im Grundwasser, aus dem 70 Prozent des Trinkwassers gewonnen wird. An vielen Grundwasser-Messstellen sind die Grenzwerte für die Stickstoffverbindung Nitrat bereits überschritten. Zu hohe Dosen können aber der Gesundheit schaden. Außerdem trägt Nitrat in Flüssen, Seen und Meeren dazu bei, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben. Die 2017 geänderten Düngeregeln werden dar­an laut EU-Kommission nicht viel ändern. Deshalb verlangt sie eine weitere Reform, damit Deutschland die Nitratrichtlinie der Europäischen Union einhält und hohe Strafzahlungen vermeidet.

Die Bundesregierung hat dar­aufhin Ende Januar Brüssel angeboten, die maximal zulässige Düngung in Gebieten mit erhöhten Nitratwerten um 20 Prozent zu reduzieren. „Wir befürchten einen Rückgang bei Erträgen und Qualitäten im Pflanzenbau“, teilte der Landwirtschaftsverband mit, „ohne dass die Nitratauswaschung nennenswert reduziert wird“. Zudem würden „auch große unbelastete Teilgebiete als belastet eingestuft werden“.

„In Dänemark hat man mit dieser 20-Prozent-Regelung die Nitratfrachten in die Nordsee drastisch reduziert“, sagte hingegen Professor Friedhelm Taube, einer der führenden Experten für das Thema, der taz. „Man sollte sich auf Mais, Kartoffeln und bestimmte Backweizensorten konzentrieren“, denn bei diesen Pflanzen gelange oft zu viel Stickstoff in die Umwelt. Wenn die Landwirte Mais drei Jahre lang ein Fünftel weniger düngen, als offiziell nötig ist, würden sie noch nicht einmal weniger ernten, denn der Bedarf sei aus politischen Gründen bislang „deutlich zu hoch angesetzt“ worden. So sei er „in der Düngeverordnung von 2017 bei gleichem Ertrag im Vergleich zur Düngeverordnung davor plötzlich um 20 bis 40 Kilogramm angestiegen, also vollkommen unbegründet.“

Raps unproblematisch

„Bei Raps dagegen würde die Minus-20-Prozent-Regelung den Anbau in den besonders nitratbelasteten Gebieten unwirtschaftlich machen, sodass die Landwirte zumindest teilweise auf Mais umstellen würden. Das kann man nicht wollen, weil wir Sojafutter durch einheimisches Protein aus Rapsschrot ersetzen wollen. Und unter Raps haben wir keine Nährstoffauswaschung.“

Taube wies auch die Kritik an der Einstufung von Gebieten als belastet zurück. Grundwasser komme teils aus sehr großen Distanzen. Deshalb müsse man auch große Gebiete schützen.

„Die Verbraucher müssen diese Kosten mit ihrer Trinkwasserrechnung bezahlen. Das ist nicht in Ordnung“, sagt Wasserwerkslobbyist Martin Weyand

Wasserpreis könnte steigen

Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, warnte, dass das Wasser teurer werde, wenn wegen der Nitratbelastung neue Brunnen gebaut werden müssten. „Die Landwirtschaft hat diese Kosten verursacht, aber die Verbraucher müssen diese Kosten mit ihrer Trinkwasserrechnung bezahlen. Das ist nicht in Ordnung“, sagte Weyand der taz.

„In einigen Regionen reichen die Kooperationen zwischen Land- und Wasserwirtschaft nicht mehr aus, weil die Werte erschreckend gestiegen sind“, ergänzte er. Das habe insbesondere „mit der Industrialisierung der Landwirtschaft zu tun, mit sehr hohen Viehbesätzen, denen aber keine Fläche gegenüber steht, auf der man die Gülle ausbringen kann.“ Deshalb müsse der Staat durch wirksame Regeln eingreifen. „Das, was wir jetzt haben, ist nicht ausreichend“, so Weyand. „Wir haben viel zu viele Ausnahmeregelungen.“

„Die Nitratrichtlinie gibt es seit über 26 Jahren“, sagte der Hauptgeschäftsführer weiter. „Sie ist bis heute nicht umgesetzt worden in Deutschland. Es kann niemand sagen, es wäre nicht genügend Zeit gewesen, eine Strategie vorzulegen, die dieses Thema sozialverträglich für die Landwirtschaft löst.“

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