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Demokratiebahnhof in Anklam Leuchtturm des Miteinanders

In einem Jugendtreff in Anklam leistet Klara Fries seit 10 Jahren erfolgreich wichtige Jugendarbeit gegen Rechtsextremismus.

Trotz gescheiterter Schlüsselübergabe bleibt der Demokratiebahnhof vorerst versiegelt Foto: dpa / Bernd Wüstneck

taz lab | Anklam liegt im Nordosten Deutschlands, an der Peene. Wer hier aus dem Zug steigt, betritt ein besonderes Bahnhofsgebäude: den Demokratiebahnhof Anklam. Was zunächst nach gleichberechtigtem Entwerfen von Fahrplänen klingt, ist in Wirklichkeit ein Jugendtreff, der 2014 gegründet wurde.

„Viele Jugendliche vor Ort hatten Erfahrungen mit rechter Gewalt gemacht“, sagt Klara Fries, „da wollten wir einen sicheren Rückzugsraum schaffen, in dem sie sich austauschen und Alternativen aufgezeigt werden können“.

Seit der Gründung engagiert sich die Lehramtsreferendarin für das Projekt und unterstützt Jugendliche, gesellschaftlich und politisch aktiv zu werden. Viele Initiativen der Politik würden insbesondere von Menschen wahrgenommen, die ohnehin bereits gesellschaftlich wirken – umso wichtiger, noch nicht aktive Jugendliche beim ersten Schritt zu unterstützen oder überhaupt politisches Interesse zu wecken.

Von einer Fahrradwerkstatt über den gemeinsamen Garten bis zur Nähwerkstatt gibt es neben dem offenen Jugendtreff viele Möglichkeiten für junge Menschen, die Angebote des Vereins selbst mitzugestalten.

National wurde der Demokratiebahnhof bereits viel gelobt: 2016 spielten Marteria, Campino und Feine Sahne Fischfilet ein Konzert gegen Rechtsextremismus dort und 2018 erhielt Klara Fries sogar das Bundesverdienstkreuz.

Ein Vorbild gegen AfD und NPD

Trotz wiederholter rechter Angriffe ist das Projekt ein Leuchtturm des Miteinanders in der AfD-Hochburg Anklam: Bei der letzten Bundestagswahl wurde sie mit 24,3 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft – nur 0,5 Punkte hinter der SPD. “Die Heimat”, früher als NPD bekannt, hat in Anklam ihre Landeszentrale.

Dass auch immer mehr Jugendliche die AfD wählen würden, überrascht Klara Fries nicht: „In der Gesellschaft gibt es wieder mehr Zustimmung für rechte Positionen.“ Das macht ihr Sorgen: „Die stetige Konfrontation mit subtiler Rechtsoffenheit merken wir auch im Jugendtreff. Da zeigen wir klar Kante.“

Dabei kann je­de und jeder dazu beitragen, jungen Menschen Alternativen aufzuzeigen, auch im ländlichen Raum – etwa durch die Schaffung von Räumen für offenen Austausch, ehrenamtliches Engagement oder finanzielle Unterstützung von selbstorganisierten Gemeinschaftsprojekten. „Besonders für junge Menschen muss es mehr offene Angebote geben. Wir sind nur ein Ort von vielen.“

Seit dem Jahr 2018 werden durch das vom Demokratiebahnhof initiierte Jugendparlament Anklam auch junge Stimmen im Stadtrat gehört. Im letzten Jahr verabschiedete der Landtag ein Gesetz, das ähnliche Beteiligungsformen in ganz Mecklenburg-Vorpommern ermöglicht.

Obwohl der Demokratiebahnhof in den letzten zehn Jahren ein Aushängeschild für Anklam geworden ist, droht ihm jetzt die sanierungsbedingte Schließung. Der Verein hat Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt, doch für den Moment bleiben die Türen zum wohl größten Gegengewicht für die Rechtsextremen in der Region versiegelt – zwei Monate vor der Kommunal- und Europawahl.

Klara Fries ist am 27. April zu Gast beim taz lab.