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Demokratiefeinde und Rechtsextreme Keiner stoppt die AfD

Es gibt weder in den demokratischen Parteien noch in der Gesellschaft den ernsthaften politischen Willen, der AfD den Weg an die Macht zu verstellen. Den Deutschen fehlt die Wehrhaftigkeit.

Pappschilder allein werden den Aufstieg der AfD nicht bremsen Jan Woitas/picture alliance/dpa

taz FUTURZWEI | Wie immer, wenn die AfD ihre Politikpläne präzisiert, wenn offenbar wird, dass diese Pläne menschen- und verfassungsfeindlich sind, dass sie offen auf die Dekonstruktion der Demokratie in der Bundesrepublik zielen, ist die Aufregung groß. So ist es auch in diesen Tagen, nachdem bekannt wurde, dass sich AfDler und Sympathisanten aus der Bundesrepublik und Österreich letzten November im Landhaus Adlon am Lehnitzsee bei Potsdam getroffen haben, um einen Vertreibungsplan zu besprechen, die sogenannte „Remigration“ von Deutschen mit Migrationshintergrund und Asylbewerbern. In deutschen Städten demonstrierten Tausende am vergangenen Wochenende gegen die AfD.

Doch nach ein paar Wochen wohlorchestrierter Empörung, nach dem wiederholten Prüfen und Abwägen aller rechtlichen Möglichkeiten die AfD zu verbieten oder anderweitig gegen sie direkt vorzugehen, wird dann wieder Nichtstun den politischen Alltag bestimmen. Bis der nächste Anstieg der Zustimmung zur AfD neues Geschrei auflöst, das dann aber auch schnell wieder verebbt, ohne zu etwas zu führen. Es bleibt dabei, dass die AfD und ihr illiberales Politikangebot quer durch die ganze Gesellschaft als machtpolitische Option jenseits der übrigen Parteien gesehen wird, als wählbare Alternative zur Demokratie.

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Der Aufstieg der AfD wird weitergehen

Machen wir uns nichts vor: Die Wahlerfolge der AfD werden sich in diesem Jahr fortsetzen. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg könnte die AfD, Stand heute, als stärkste der Parteien aus den Landtagswahlen hervorgehen. Derweil ringen jenseits von AfD und CDU die übrigen liberaldemokratischen Parteien um den Wiedereinzug in diese Länderparlamente. Es ist offen, ob alle Parteien jenseits der AfD nach der Wahl Koalitionen bilden werden, um die AfD aus den Regierungsämtern herauszuhalten.

In der ganzen Republik wird es zudem Kommunalwahlen geben, bei denen sich die AfD festen Rückhalt auf der kommunalen Ebene schaffen wird. Landräte und Oberbürgermeister der AfD werden kommunalpolitische Normalität. Ein Zusammenstehen aller übrigen Parteien, etwa mit überparteilichen Listen zu den Kommunalwahlen, gibt es nicht.

Strafverfolgung und Berufsverbote

Was kann man tun? Im Bund und in den Ländern werden bisher noch nicht einmal die Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung von AfD-Mitgliedern und des Ausschlusses aus öffentlichen Ämtern genutzt, was rechtlich unterhalb des Parteienverbotes liegt. Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, war da konsequenter. Am 19. September 1950 begann mit einem Erlass die Strafverfolgung von Mitgliedern einer von der Bundesregierung als verfassungsfeindlich eingestuften Organisation. Auch wenn dieser Erlass sich damals hauptsächlich gegen Linke und Kommunisten wandte, zeigte er die Möglichkeiten der wehrhaften Selbstverteidigung der noch jungen Demokratie auf. Gleiches gilt für die Berufsverbote in der Folge des von Bund und Ländern auf Initiative der SPD beschlossenen Radikalenerlasses 1972. Auch wenn auf seiner Grundlage damals mehreren tausend Bewerbern – zu Recht oder auch zu Unrecht als linksradikal eingestuft – die Aufnahme in den öffentlichen Dienst verweigert wurde, so wurde doch die allgemeine Loyalitätspflicht aller Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes gegenüber der verfassungsmäßigen Grundordnung gestärkt.

Das sage ich, obwohl damals auch gute politische Freunde von mir unter denen waren, die ein Berufsverbot traf. Heute aber stehen die Türen für Verfassungsfeinde auf allen Ebenen der Verwaltung, trotz Überprüfung, offensichtlich weit offen.

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Verbote verfassungsfeindlicher Parteien rechtssicher machen

Ein Antrag auf ein Verbot der AfD wird nicht gestellt, weil die potentiellen Antragsteller Angst vor einem Scheitern in Karlsruhe haben. Die unabhängigen Richter im Bundesverfassungsgericht entscheiden über ein Verbot auf der Grundlage der Verfassung und den ihr entsprechenden Gesetzen. Wenn dieser rechtliche Rahmen nicht ausreicht, um eine Dekonstruktion der demokratischen Institutionen auch mit Verboten zu verhindern, dann kann der Gesetzgeber rechtliche Nachbesserungen am Grundgesetz und den Gesetzen vornehmen, die den wehrhaften Charakter der Demokratie bekräftigen und Verbote verfassungsfeindlicher Parteien rechtssicher ermöglichen. Warum das unterbleibt, ist nicht nachvollziehbar.

Auf dem Weg zur Macht hilft der AfD auch das derzeit zwischen den demokratischen Parteien gepflegte Heruntermachen der Bundesregierung von außen und von innen. Die Bewältigung der anstehenden Jahrhundertaufgaben – das ist leider kein übertriebener Ausdruck - erfordert willensstarkes exekutives Handeln, verbunden mit der Lage geschuldeten Einschränkungen gewohnter und für selbstverständlich genommener Standards. Dass es über den Ernst der Lage keinen liberaldemokratischen Konsens gibt, bringt der AfD Zustimmung, weil damit deren verlogene Erzählung bekräftigt wird, dass mit ihr an der Macht alles wieder so werde, wie es immer gewesen sei. Beispiele dafür sind die maßlose Kritik von CDU und anderen am Gebäude-Energie-Gesetz, das verlogene Gerede über eine angeblich mögliche Renaissance der Atomenergie oder das Einknicken vor den Bauernprotesten in allen Parteien, auch den Regierungsparteien.

Machtpolitische Spielchen statt gemeinsame Wehrhaftigkeit

Anstatt überparteilich, streitend aber konstruktiv, nach der besten gemeinsamen Lösung der Jahrhundertprobleme zu suchen, spielen alle Parteien jenseits der AfD machtpolitische Spielchen. Sie bemerken offenbar nicht, dass sie dabei alle Vertrauen verlieren, ja sogar, wie die SPD, ihre politische Existenz aufs Spiel setzen.

Eine Zivilgesellschaft wie in Israel gibt es in der Bundesrepublik nicht. Vor dem Krieg mit der Hamas haben Hunderttausende auf den Straßen gegen die Versuche Netanjahus protestiert, die demokratischen Regeln der Gewaltenteilung auszuhebeln. Um in der Not dann gemeinsam mit allen anderen zu den Waffen zu greifen, um das Überleben der Juden in ihrem Land dauerhaft zu sichern. Diese Kultur einer gemeinsamen Wehrhaftigkeit über alle politischen Gräben hinweg gibt es in der Bundesrepublik nicht. Die durch die Bundesregierung geförderten antifaschistischen Initiativen und Beratungsprojekte sind damit verglichen eher peinlich und hilflos.

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Mal angenommen, die AfD wird in Sachsen noch in diesem Jahr die Regierung stellen, weil im Parlament in Dresden nur noch AfD, CDU und Linkspartei vertreten sind. Werden dann die Beamten und Richter des Landes, die per Eid aufs Grundgesetz verpflichtet sind, der AfD in den Regierungsämtern in die Parade fahren, wenn sie etwa begänne, ihre „Remigration“ umzusetzen oder bewusst gegen EU- und Bundesgesetze zu verstoßen? Wohl kaum.

Es gibt im Augenblick weder in den demokratischen Parteien noch in der Gesellschaft ernsthaften politischen Willen, der AfD ihren Weg an die Macht zu verstellen. Die damit verbundenen Ängste offen anzusprechen, fällt schwerer, als sich moralisierend selbst zu bestätigen, schon immer auf der richtigen Seite gestanden zu haben.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.