Der Verkehr von morgen hebt ab: Flugtaxen zwischen Sci-Fi und Zukunft

So könnte die Lösung für Luftverschmutzung und Staus aussehen. Oder werden die Elektrodrohnen nur ein Spielzeug für Reiche?

Flugtaxis auf Parkdeck

Elektrisch, lautlos, schnell: Flugtaxen sind der Traum vieler Pendler Foto: Lilium

BERLIN taz | Lautlos schweben sie durch die Luft – und irre schnell. Nur wenige Minuten dauert der Flug auf einer Strecke, die sonst viel Zeit kostet. Statt im Stau auf der Straße zu stehen, wechseln Pendler künftig in den Luftraum. Das bedeutet: weniger Stress, weniger Fahrzeit, dafür mehr Platz in der Stadt. Sogar für die Umwelt sollen die Öffis der Lüfte besser sein. Schließlich fliegen die Elektrodüser abgasfrei.

Geht es nach Dorothee Bär, der neuen Staatsministerin für Digitales, zählen Flugtaxis sogar schon eher heute als morgen zum öffentlichen Personennahverkehr. Aus ihrer Schwärmerei für die Technologie macht sie keinen Hehl. Dafür erntete die CSU-Politikerin auch viel Spott. Vom Fabulieren war die Rede. Und von Träumereien, die noch Science-Fiction sind.

Dabei sind die Flugtaxis längst Realität. In Neuseeland, in den USA werden sie – mit und ohne Pilot – bereits getestet. Bei der Weltausstellung in Dubai in knapp zwei Jahren will der Fahrdienstleister Uber die Besucher bereits ganz regulär per Flugdrohne von A nach B bringen.

„Das ist was Reales und nicht nur Visionäres“, sagt Anke Domscheit-Berg. Als parteilose Abgeordnete sitzt sie für die Fraktion Die Linke im Bundestag. Für die Digital-Expertin läuten die Flugtaxis eine echte Revolution im Verkehr ein. „Wenn man es klug macht, dann lösen wir damit das Problem der Luftverschmutzung, der verstopften Straßen und der Mobilität im ländlichen Raum“, sagt sie. Aber: „Das funktioniert nur, wenn Flugtaxis als Teil des ÖPNV mit Bus und Bahn integriert werden, bezahlbar sind, leise und mit sauberer Energie fliegen.“

Flug buchen per App

Genau so will es Remo Gerber machen. Der Schweizer arbeitet für Lilium, eine Münchener Firma, die derzeit ein Elektroflugzeug entwickelt. Er spricht von einer „magischen“ Flugerfahrung, von enormem Nutzen für Stadt und Land. Per App werden die Passagiere ihren Flug buchen, Haltestellen hält Gerber an etlichen Orten für möglich. Schließlich braucht der Mini-Jet für Start und Landung nicht mehr Platz als ein Basketballfeld.

Dass ein Roboter oder gar nur der Computer das Flugtaxi steuert, davon geht er erst einmal nicht aus. Ein Mensch wird die Passagiere an Bord begrüßen und auch wieder verabschieden, das ist für Gerber klar. Das Lilium-Flugtaxi hat eine Reichweite von rund 300 Kilometern, fliegt komplett elektrisch, ist extrem leise. Fünf Personen passen derzeit hinein, irgendwann auch mehr. Vom Flughafen in die Stadt, vom Büro nach Hause aufs Land, von einem Bezirk in den nächsten: Statt sich mit Bus, S-Bahn oder Auto fortzubewegen, hebt der Fahrgast ab. Dass Doro Bär ein Fan von den Flugtaxis ist, freut Gerber natürlich. Dass ausgerechnet die CSU-Politikerin, die das Münchener Start-up selbstverständlich kennt, die Flugtaxis in die Schlagzeilen bringt, verwundert kaum.

Remo Gerber

„2015 ist unsere Deadline“

Aber tatsächlich: die Bayern zählen zu den Vorreitern der Technologie. Auch Airbus und Boeing arbeiten an eigenen kleinen Maschinen. Uber und auch Volocopter, eine Firma mit Daimler-Beteiligung, sehen jedoch eher Riesendrohnen als Transportmittel der Zukunft. Gerber hofft, dass spätestens 2025 Flugtaxis in Deutschland im Einsatz sind. „Das ist unsere Deadline.“ Aber er weiß auch, dass es bis dahin noch viel zu tun gibt.

Zum Beispiel braucht das Flugtaxi bestimmte ­Zulassungen für den Flugverkehr in der Innenstadt. Städteplaner, die Kommunen, müssen über Flugrouten ­nachdenken oder über Landegenehmigungen in dicht besiedelten ­Gebieten. Aber vor allem geht es um eins: die ­Akzeptanz in der Bevölkerung. Die ­Menschen dürfen keine Angst vor dem neuen Transportmittel haben. „Irgendwann werden wir ganz normal ins Stadtbild ­passen“, sagt Gerber überzeugt.

Mobilitätsforscher spricht von „elitärem“ Verkehrsmittel

Weniger begeistert ist der Mobilitätsforscher Andreas Knie. Er hält die Debatte um den Einsatz von Flugtaxis für ein Ausweichmanöver. „Wir bekommen auf der Straße nichts geregelt, also gehen wir in die Luft“, sagt er. Knie forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung über den Verkehr der Zukunft. Flugtaxis sind für ihn nichts anderes als elektrische Helikopter. Technisch interessant, aber nur eine weitere Form des Individualverkehrs.

Er spricht von einem „elitären“ Verkehrsmittel, das nur die nutzen können, die genug Geld haben. Die Masse drängele sich weiterhin auf der Straße. Das Argument lässt Gerber von Lilium nicht gelten. „Wir wollen kein Reichenspielzeug entwickeln“, sagt er. Ganz im Gegenteil. Reisen durch die Luft solle preiswert werden und individuell bleiben.

Einen der ersten Taxi-Flüge absolvierte der Volocopter in Dubai. Entwickelt wurde er in Bruchsal mit Unterstützung von Daimler. Eine weitere Drohne hat das britische Unternehmen Neva Aerospace entwickelt: Der AirQuadOne kann bis zu 30 Minuten in der Luft bleiben und soll an Ladestationen für E-Autos betankt werden.

Google-Gründer Larry Page finanziert das Start-up Kitty Hawk: Dessen Produkt "Cora" ähnelt einem Wasserflugzeug und soll von Dächern und aus Parklücken heraus starten und landen. Page beteiligt sich auch am Zee.Aero, einem fliegenden Auto.

Das chinesische Unternehmen Ehang arbeitet ebenfalls an batteriebetriebenen Flugtaxis. In ihren Gefährten haben nur zwei Menschen Platz. Passagiere brauchen keine Flugkenntnisse, die Taxen werden ferngesteuert.

Überzeugen lässt sich Wissenschaftler Knie, wenn es um autonome Verkehrssysteme geht. „Autonomes Fahren ist in der Luft vermutlich leichter“, sagt er. Denn: Außer anderen Verkehrsmitteln gibt es kaum Hindernisse. Schließlich spielen keine Kinder im Luftraum, selbst Vögel würden den fliegenden Taxis nur selten in die Quere kommen.

Zwischen Skepsis und Schwärmen schwankt Jens Zimmermann, der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Drohnen oder Flugtaxen sind zwar keine Science-Fiction mehr, aber von einem flächendeckenden Einsatz sind wir noch weit entfernt.“ Seine Prognose: Die Technologie wird sich rasant entwickeln, aber eine politische Debatte darüber wird es wohl erst in einigen Jahren geben.

Unbestritten ist für Zimmermann, dass sich im öffentlichen Personennahverkehr einiges ändern muss. Ob Berlin, Frankfurt, München, Köln, Stuttgart – in allen Metropolen und Ballungsräumen bundesweit ist der Bedarf an mehr U- und S-Bahnen, Bussen und Straßenbahnen enorm. Die Bevölkerung wolle viele Verkehrsmittel flexibel und preiswert nutzen können, sagt der SPD-Mann. Und: Es gebe auch noch etliche rechtliche Fragen. Zum Beispiel, wo Flugtaxis – ob mit oder ohne Piloten – starten und landen können. „Das Luftrecht“, sagt Zimmermann, „ist derzeit sehr restriktiv.“

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