Deutsche und Dänen: Keimzelle für Bewegung

In Flensburg sorgt man sich um den Rechtsruck im Nachbarland. taz.meinland diskutierte mit den Menschen vor Ort.

Eng bei einander. Die dänische und deutsche Flagge in der Flensburger Innenstadt Bild: David Joram

von MALAIKA RIVUZUMWAMI

Der Himmel ist bewölkt, sogar ein paar Schneeflocken fallen an diesem kalten, grauen Tag in der nördlichsten Stadt Deutschlands. Flensburg zeigt sich von seiner rauen Seite. Doch nur das Wetter ist herb, die Menschen friesisch herzlich. Die Stadt an der Flensburger Förde, vor den Türen Dänemarks, ist eine Mischung aus weltoffener Hafen- und Handelsstadt und traditioneller Beschaulichkeit, geprägt von ihrer unmittelbare Beziehung zum Wasser. 

Im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise im Hochsommer 2015 blickte die Republik auf den Bahnhof in Flensburg: Dänemark verweigerte den Geflüchteten die Durchreise nach Schweden. Viele Menschen mussten in Flensburg ausharren. Doch sie wurden mit Engagement und Unterstützung empfangen. Spätestens seitdem steht Flensburg für Integration und Willkommenskultur.

Weltoffenheit vs. Grenzschließung

Immer weniger Flüchtlinge erreichen Deutschland, doch das Thema Integration bleibt wichtig. Die Flensburger stoßen an Grenzen: Dänemark hat wieder Grenzkontrollen eingeführt, zur Terrorismusabwehr. Ein Bild, das den weltoffenen Flensburgern widerstrebt, die Region im alltäglichen Leben prägt. taz.meinland hat am Dienstagabend mit den Menschen in Flensburg darüber diskutiert.

Viele der BesucherInnen in der neu erbauten Aula der Ostseeschule in Flensburg überqueren täglich die Grenze zu Dänemark. Im Raum scheint die Meinung eindeutig: Man wünscht sich eine offene deutsch-dänische Grenze, sieht sich mehr als eine gemeinsame Region statt zwei voneinander getrennte Ländern. Doch die Landesgrenze lässt sich nicht wegdiskutieren.

    Der runde Tisch am Abend ist groß: Peter Hansen, Leiter Region Sonderjylland-Schleswig, Stephan Kleinschmidt, Vorsitzender des Ausschusses für kulturelle und regionale Entwicklung, Thomas Andresen, Bürgermeister von Apenrade, Christian Dirschauer, Landtagskandidat der SSW, Cornelius Tiedemann, stellvertretender Chefredakteur des Nordschleswiger, Nassir Hag-Bahri, der von Syrien nach Flensburg flüchtete, und Jörg Goy, dessen Einladung wir gefolgt sind.

    Die Angst im Nachbarland

    Im Fokus steht der Umgang mit der Angst im Nachbarland, die Entsolidarisierung der Gesellschaft, dem aufkommenden Rechtspopulismus, der sich jedoch nun lauter meldet als früher. Schon seit den 70er Jahren gibt es einen starken Rechtsdrall in Dänemark, doch mittlerweile ist die rechte Dänische Volkspartei eine der tragenden Parteien der Regierung.

    „Wir sind ja eigentlich nicht so unterschiedlich, doch irgendwie schon ein bisschen. Die Unterschiede werden momentan vor allem durch die Symbolpolitik dieser Grenzkontrollen deutlich. Genau wie die Machtlosigkeit der lokalen Politik, denn gegen die Entscheidung in Kopenhagen kann sie nicht viel unternehmen.“ Herr Klatt, Professor an der Universität Sonderborg, greift auf, was hier scheinbar viele denken. Die Ängst und Sorgen der Menschen werden von rechten Kräften ausgenutzt, nicht nur in Dänemark, sondern in ganz Europa.

    „Es ist doch eine Grenzkontrolle light! Und trotzdem ein Rückschritt in der Zeit“, meldet sich ein Gast aus dem Publikum. Die Grenze ist nicht zu – täglich überqueren sie immer noch 16.000 Pendler. Doch erst vor wenigen Wochen wurden auch andere Töne laut: Soren Espersen, stellvertretender Vorsitzender der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF), hat territoriale Veränderungen zwischen Dänemark und Deutschland für wünschenswert erklärt.

    Neue Grenzziehung?

    Die zweitstärkste Kraft im dänischen Parlament unterstützt die Minderheitsregierung der rechtsliberalen Venstre Partei und wünscht sich „ein Dänemark bis zur Eider“. Die Grenze selbst aber, nach dem Ersten Weltkrieg in einem komplizierten Abstimmungsverfahren zwischen Südschleswig (deutsch) und Nordschleswig (dänisch) gezogen, hat seit Jahrzehnten keiner mehr in Frage gestellt.

    Eine Idee, die man mit Bedenken zur Kenntnis nimmt. Denn sie fällt zusammen mit einer schwierigen Entwicklung.: „Bei den Kontrollen geht es ausschließlich um die äußere Erscheinung, daher ist die Grenze für mich ein Ausdruck einer neuen politischen Entwicklung in Europa, die ich sehr bedenklich finde!“, meint Katrin Hoop, Projektleiterin von „Oplev Sydslesvig“ und Mitarbeiterin bei „Refugees Welcome Flensburg“.

    „Ein bisschen Diskriminierung gibt es nicht und ich kann Diskriminierung auch nicht schön reden!“ Simone Lange, ist seit Januar Oberbürgermeisterin in Flensburg und vertritt eine Politik, die Integration erleichtern soll. Schönreden lassen sich die Probleme sicherlich nicht. Doch sie können angegangen werden. Protest muss möglich sein, man will sich nicht von territorialen oder gedachten Grenzen ins Stocken bringen lassen.

    Ein positives Zeichen

    Ulrich Dehn, Schulleiter der Ostseeschule meint: „Egal, ob die Heimwehr an der Grenze steht, wir müssen ein positives Zeichen setzten.“ Seine Idee: gemeinsame Sonntagsausflüge, an denen die Grenze so oft wie möglich an unterschiedlichen Stellen überquert wird – sich also von der Grenze nicht hindern lassen. „Ich demonstriere gerne“, erwidert Frau Lange direkt. Doch nicht nur bei ihr sorgt die Idee für ein Schmunzeln.

    Vielleicht ist an diesem Abend nicht nur ein Dialog, sondern auch ein Keim entstanden, der für Bewegung sorgt. Ob die Grenzen nun bald in einem friedlichen Marsch überquert werden, bleibt abzuwarten. Doch eins steht fest: die Flensburger wollen an ihr nicht festhalten und taz.meinland wird weiterhin gespannt in die Stadt im hohen Norden blicken.