Deutscher Flügel von DiEM25: Europa? Mit links

Bald wird der deutsche Flügel von Varoufakis’ Bewegung DiEM25 gegründet. Bei der EU-Wahl könnte er Linken und Grünen Konkurrenz machen.

Yanis Varoufakis im Porträt

Will er sich aus Deutschland wählen lassen? Yanis Varoufakis Foto: dpa

BERLIN taz | Das Netzwerk Democracy in Europe Movement 2025 (DiEM25), das vor zwei Jahren von Yanis Varoufakis in der Berliner Volksbühne ins Leben gerufen wurde, will im Mai 2019 bei den Wahlen zum Europaparlament antreten. In allen Ländern, in denen DiEM25 aktiv ist, soll es einen Wahlflügel geben, der im Europawahlkampf präsent sein wird. Am Samstag soll der deutsche Flügel in Frankfurt am Main gegründet werden.

„Wir sind von unserer europäischen Agenda überzeugt“, hatte Varoufakis bereits vor einem Jahr der taz gesagt. Aber der einzige Weg, gehört zu werden, sei, die Inhalte von DiEM25 auch zur Wahl zu stellen. Das soll nun passieren. Der internationale Name dafür steht schon: „Europäischer Frühling“.

„Die Wahlflügel werden kein Eigenleben haben, sondern von DiEM25 kontrolliert werden“, sagte Judith Meyer, die den deutschen Bereich von DiEM25 mit aufgebaut hat. Die Form des Flügels allerdings soll in den jeweiligen Ländern variieren: In Griechenland zum Beispiel hat DiEM25 im März eine eigene Partei gegründet, deren Chef Varoufakis ist: MeRA25. In Dänemark kooperiert DiEM25 mit der linksgrünen Partei Alternativet, in Frankreich mit der demokratisch-sozialistischen und ökologischen Bewegung Génération des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der sozialistischen Partei, Benoît Hamon.

Eine eigene Partei wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Voraussichtlich wird eine „Sonstige Politische Vereinigung“ entstehen. Für die gelten andere Regeln als für normale Parteien: Bei der Bundestagswahl zum Beispiel dürfte DiEM25 damit nicht antreten. Anders sähe es bei den Europawahlen aus, bei denen es auch keine Fünf-Prozent-Hürde gibt: Hier würde DiEM25 anderen Parteien wie etwa der Linkspartei Konkurrenz machen können.

Geht das mit Wagenknecht?

Ob dieser Fall eintritt und wie genau er gestaltet werden könnte, ist noch nicht entschieden. Bisher sei DiEM25 mit verschiedenen Parteien im Gespräch, um Kooperationen für die Europawahl auszuloten, sagte Meyer. Sie selbst sehe für den Europawahlkampf die meisten Chancen bei einer Kooperation mit der Linkspartei. Möglich wäre auch eine Kooperation mit kleineren Parteien wie Demokratie in Bewegung oder den Piraten. Mit den Grünen sei DiEM25 zwar auf europäischer Ebene eng in Kontakt, auf deutscher Ebene wegen Differenzen vor allem in der Wirtschaftspolitik weniger.

Hinderlich für eine Kooperation mit DiEM25 dürfte inhaltlich vor allem der Linkspartei-Flügel um Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sein. Der liegt mit seinen europa- und einwanderungsskeptischen Positionen weit von DiEM25 entfernt. Ob für die Linkspartei, die in Deutschland fast so viele Mitglieder hat wie DiEM25 europaweit, eine gleichberechtigte Kooperation in Frage kommt, ist ebenso fraglich.

Es könne sein, dass Yanis Varoufakis selbst sich auf der deutschen Liste aufstellen lässt

Linksparteichefin Katja Kipping immerhin lässt die Frage offen. Kipping, die Mitglied bei DiEM25 war, ist ausgetreten, nachdem sich DiEM25 für die Gründung der Wahlflügel entschieden hatte. „Yanis Varoufakis und mich eint weiterhin die inhaltliche Überzeugung: Europa wird demokratisiert, oder es wird scheitern“, sagte Kipping nun zwar der taz. Sie sei jedoch bereits Mitglied in einer „elektoralen Organisation: der Partei Die Linke“. Dennoch setze sie sich dafür ein, so Kipping, dass alle linken und fortschrittlichen Kräfte in Europa ihre Zusammenarbeit ausbauen.

Spätestens bis Herbst muss klar sein, ob DiEM25 in Deutschland allein oder in Kooperation mit anderen Parteien oder Bündnissen antritt: Dann soll der Startschuss für den deutschen Wahlkampf fallen. Bis dahin muss auch das Wahlprogramm ausgearbeitet sein. „Bei uns funktioniert das anders als beispielsweise bei den europäischen Grünen, die noch nicht mal eine gemeinsame Position zur Nutzung von Atomkraft haben“, sagte Meyer: „Wir einigen uns zuerst auf die Politik – und dann überlegen wir, wer diese Politik vertreten kann.“ Im Vordergrund solle nicht die nationale Profilierung stehen, sondern die Themen von DiEM25: Also zum Beispiel die Transparenz der EU, ein „europäischer New Deal“, Arbeit, „grüne“ Investitionen und eine europäische Verfassung.

Keine Promis aus Deutschland dabei

Schon im Juni wird es Auftaktveranstaltungen des Europäischen Frühlings in Italien, Dänemark und Polen geben, im Juli folgt Frankreich. Wo und mit wem die Auftaktveranstaltung in Deutschland im September stattfinden werde, sei noch unklar, sagte Meyer. Die Frage, wer für die Listenplätze kandidiert oder wer SpitzenkandidatIn sein wird, entscheide sich für Deutschland frühestens im Dezember.

Der Haken: Besonders prominente Mitglieder oder UnterstützerInnen wie in anderen Ländern – beispielsweise der US-amerikanische Sprachwissenschaftler und Aktivist Noam Chomsky, der britische Musiker Brian Eno und der britische Filmemacher Ken Loach, die US-amerikanische Soziologin Saskia Sassen oder der italienische Wissenschaftler Sandro Mezzadra – hat DiEM25 in Deutschland nicht. Schon gar keine, die sich zur Wahl stellen.

Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, mit der DiEM25 im Gespräch war, sagte der taz, sie habe bereits abgelehnt zu kandidieren. Es könne allerdings sein, dass Varoufakis selbst sich auf der deutschen Liste aufstellen lasse, sagte Judith Meyer: „In Deutschland gäbe das ein Riesenbohei.“ Die Frage ist nur: Gäbe es auch Wählerstimmen?

Ob mit oder ohne Varoufakis – die Präsenz von DiEM25 ist in Deutschland bislang mau. Zwar sei die Anzahl der Mitglieder gewachsen, sagte Meyer. Europaweit sind es nun 70.000 Mitglieder und lokal organisierte Gruppen in insgesamt 27 Ländern. Die Anzahl der deutschen Mitglieder steige ebenfalls und liege momentan bei etwa 9.000. Michael Fromm, Mitglied im Bundeskollektiv, das die deutschlandweiten Aktivitäten koordiniert, räumt allerdings ein: DiEM25 sei hierzulande bislang eher eine „Online-Veranstaltung“. Das müsste sich jedoch schnell ändern, wenn der deutsche Ableger des Europäischen Frühlings bei den Europawahlen im nächsten Jahr nicht untergehen will.

Bei der Gründung des Wahlflügels am Samstag wird es vorerst nicht um Wahlkampftaktik gehen, sondern vor allem um „Bürokratie“, wie Meyer sagte: gewählt wird die Verwaltungsebene wie Vorsitz, SchatzmeisterIn und BeisitzerInnen. Das sei auch der Grund, warum nur Platz für 100 bis höchstens 160 Menschen in Frankfurt sei, sagte Judith Meyer. Prominenz etwa in Person von Varoufakis wird nicht vertreten sein.

Bürokratie hin oder her: Die Gelegenheit, DiEM25 über Veranstaltungen wie diese auch in der deutschen Öffentlichkeit bekannter zu machen, verstreicht ungenutzt.

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