Deutschland und EU-Umweltrecht: Musterschüler war einmal

Berlin ignoriert zunehmend europäisches Umweltrecht: Die EU hat drei weitere Verfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Das Naturschutzgebiet Schliffkopf im Schwarzwald

Sowas müsste es eigentlich mehr geben: Naturschutzgebiet Schliffkopf im Schwarzwald. Foto: dpa

BERLIN taz | Die Europäische Union hat im vergangenen halben Jahr drei neue Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland im Umweltbereich eingeleitet. Gleichzeitig hat die Bundesregierung nur eines der laufenden elf Verfahren erfolgreich abschließen können. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten Antwort auf eine kleine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Peter Meiwald hervor.

Bei zwei der drei neuen Verfahren geht es um Verstöße gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, die das Ziel hat, natürliche Lebensräume für alle wild lebenden und für Europa typischen Arten zu schaffen: Deutschland hat nicht genug Flächen unter Naturschutz gestellt, außerdem wurde bei der Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg der Naturschutz nicht ausreichend berücksichtigt, lauten die Vorwürfe der EU.

Beim dritten Verfahren moniert die Europäische Kommission die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxid in Deutschland. Im vergangenen Jahr wurden an mehr als der Hälfte der 500 Messstationen die zulässigen Höchstmengen überschritten.

Die EU leitet Vertragsverletzungsverfahren ein, wenn ein Mitgliedsstaat Richtlinien nicht ordnungsgemäß umsetzt. Die Verfahren haben mehrere Stufen vom Mahnschreiben der Kommission bis zur Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Schlimmstensfalls drohen Strafzahlungen.

Gegen Deutschland sind jetzt insgesamt 14 Vertragsverletzungsverfahren in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission anhängig. Vergleiche mit den Vorjahren sind schwierig, weil die EU ihre Vorgehensweise bei Rechtsverstößen geändert hat.

68 Verfahren im Jahr 2014

„Immer mehr Vertragsverletzungsverfahren zeigen: Die Große Koalition will in der Umweltpolitik nichts bewirken, keine Baustelle angehen“, sagte Meiwald, der umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion ist. Die Regierung erledige nicht einmal die Pflichtaufgaben. „EU-Konsenseinigungen sind nicht besonders anspruchsvoll“, sagte er.

Das Bundesumweltministerium wollte weder zu den Vorwürfen noch zu der Zahl der gestiegenen Verfahren Stellung nehmen. Aktuell hat Deutschland 13 Richtlinien der EU nicht ordnungsgemäß umgesetzt, etwa zum Vogelschutz auf regionaler Ebene oder zur Festlegung von Flugrouten.

In einem Fall ist eine Klage unterwegs, weil Deutschland die Umweltverträglichkeits-Richtlinie und Industrie-Emmissionen-Richtlinie nicht umgesetzt hat.

Der 14. Fall betrifft die Vorgaben für Elektro- und Elektronik-Altgeräte. Sie hat die Bundesregierung nicht schnell genug in nationales Recht umgewandelt. Das dazu erforderliche Gesetz ist aber bereits verabschiedet, so dass dieses Verfahren bald erledigt ist.

Verstöße gegen europäisches Umweltrecht sind die häufigsten Gründe für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission. Von den 1.347 gegen EU-Mitglieder laufenden Verfahren betrafen 322 die Umwelt, 223 Mobilität und Verkehr und 162 bezogen sich auf Regelverstöße in Bezug auf den Binnenmarkt.

2014 gab es gegen Deutschland insgesamt 68 Verfahren. Gegen Griechenland und Italien waren es mit 89 die meisten, gegen Ungarn und Estland mit 10 und 16 die wenigsten.

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