Die Geschichte der frauentaz: Der achte Tag im März

Seit 1980 erscheint die taz alljährlich mit einer Sonderausgabe zum Frauentag. Was nach einer Selbstverständlichkeit klingt, ist hart erkämpft.

frauentaz 2009, Thema: Der neue Sexismus. Bild: taz-Repro

Am 1. Februar 1999, meinem ersten Arbeitstag als Frauenredakteurin der taz, klebte ein kleiner Post-it-Zettel auf meinem Tisch. Auf den hatte unsere Chefredakteurin mit lila Tinte geschrieben: „Denkst Du an den 8. März?” Dachte ich an den 8. März? Natürlich nicht.

Kein Kampfgebiet

Ich kam frisch von der Journalistenschule, war eingekauft worden, weil ich ein „unverkrampftes Verhältnis” zum Feminismus hatte (die wirklich engagierten Frauen waren jeweils nach etwa anderthalb Jahren entnervt abhandengekommen – ich begriff das Frauenthema eher als interessantes Berichts- denn als Kampfgebiet). Ahnungslos, wie ich war, stöberte ich im taz-Archiv: Beim 8. März fanden sich seitenweise Sonderausgaben, mal mit Comics, mal nur von Männern gemacht, mal totgesagt, mal wieder eingeführt.

2008: Ist der Fortschritt eine Frau?

Ein leichtes Panikgefühl stellte sich ein, denn ich hatte nur noch einen Monat Zeit, um einen Haufen Sonderseiten zu stemmen. Bei einer Runde durch die Redaktion stoppte ich jeweils bei den Frauen. Wer wenn nicht sie sollte sich für eine Frauensonderausgabe interessieren? Fehlanzeige. Null. Niemand. Bereits an meinem zweiten Arbeitstag wurde mir also meine Feigenblattfunktion bewusst. Ich sollte der Feminismus der taz sein – allein.

Reihenweise Burn-outs

Dieser krasse Gegensatz – hier der feministische Anspruch, dort das totale Desinteresse – begleitete alle Frauenredakteurinnen der taz. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass das das Patriarchat war. Dabei war die taz eigentlich die Zeitung, die es anders machen und die Botschaft in die Welt hinaustragen sollte: dass Frauen wichtig und interessant sind. Aber wenn die eigenen KollegInnen das nicht finden? Die taz-Frauenredakteurinnen hatten schon Burn-outs, als noch niemand diesen Begriff kannte.

frauentaz 2009, Thema: Der neue Sexismus

Trotzdem haben wir bisher immer eine Sonderausgabe herausgebracht. Denn für eine knappe Handvoll RedakteurInnen waren Frauenthemen dann doch wichtig genug, um darüber zu schreiben. Seit einigen Jahren haben wir zudem die Geschlechterstelle in der Redaktion geteilt, sodass Simone Schmollack und ich seit einigen Jahren gemeinsam den Stand des Feminismus ausloten. Nicht nur, aber insbesondere zum 8. März.

Wenig Lorbeeren

Es ging uns schon sehr früh um Frauen im Islam, um die vermeintlichen „armen Jungs und Männer”, um „das Auslaufmodell” Mutter und den jungen Feminismus. Wir fragten Männer „Sind Sie auch Feminist?”. Oder es ging mal schlicht um Sex. Im Innern konnten wir damit bisher nur wenig Lorbeeren verdienen, aber die Verkaufszahlen, die jedes Mal mit zu den höchsten des Jahres zählen, belegen, wie wichtig dieser Themenkomplex unseren LeserInnen ist.

2014: Weibliche Lust und Sexualität

Und nicht nur ihnen: Inzwischen hat sich das Verhältnis zum Feminismus in der taz entspannt, sind junge Kolleginnen nachgewachsen, die sich klar als Feministinnen positionieren. Den dafür nötigen Resonanzraum bieten mittlerweile das werktägliche Ressort tazzwei und die Gesellschaftsseiten der taz.am wochenende. Das war anders, als man noch mit Neonazis auf den Inlandsseiten oder mit dem Nahostkonflikt für Seite 3 konkurrieren musste.

„Die Fiktion” Frau

Und sogar Halina Bendkowski, feministisches Urgestein, ist zurück aus den USA und verbreitet dieses Jahr schon mal vorab per Mail an einen 100-Leute-Verteiler, wie bescheuert sie unsere Idee zur frauentaz 2015 findet – ohne genau zu wissen, worum es überhaupt geht. Nämlich um „die Fiktion” Frau. Und was an den verschiedenen Fiktionen sexistisch ist. Es geht um Models, Musik und Männerfantasien. Frau Bendkowski gefällt's nicht. Aber Ihnen ja vielleicht.

HEIDE OESTREICH, Jahrgang 1968, ist, wie auch Simone Schmollack, Redakteurin für Geschlechterpolitik im taz-Inlandsressort