Die Inhalte der Studie über junge Muslime: Religiosität ist nicht das Problem

Die „Bild“ und der Innenminister haben die Studie über junge Muslime unzulässig verkürzt. Was wirklich drin steht: Muslime radikalisieren sich, wenn sie ausgegrenzt werden.

Die meisten fühlen sich wohl: junge Musliminnen bei der Arbeit. Bild: dpa

BERLIN taz | Für die Bild-Zeitung war es eine „Schock-Studie“. Und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die von ihm in Auftrag gegebene Untersuchung „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ genutzt, um vor radikalen Muslimen zu warnen. Auf eine offizielle Vorstellung der Ergebnisse mit den Autoren hat Friedrich verzichtet.

Denn dann hätten die Forscher richtigstellen können, dass die Zahlen, auf die sich der Minister berief, nicht repräsentativ waren. So aber blieb in der Öffentlichkeit zunächst nur das von Friedrich und der Bild vorgegebene Surrogat hängen: Muslime in Deutschland sind integrationsunwillig.

Tatsächlich kommt das unter der Leitung des Jenaer Kommunikationspsychologen Wolfgang Frindte erstellte, 760 Seiten dicke Werk zu sehr differenzierten Ergebnissen. So lehnen die meisten der befragten jungen Muslime – selbst jene, die sich religiös-fundamentalistisch äußern – jede religiös begründete Gewalt ab, sie wollen mit diesen „wahnsinnigen“ und „kriminellen“ Gewalttätern von al-Qaida und Co nichts zu tun haben.

Allerdings zeigt sich bei jenen Jugendlichen, die sich vorwiegend über türkische Fernsehsender informieren, eine starke Tendenz zur Abgrenzung von der deutschen Gesellschaft.

Für die Studie wurden muslimische Internetforen sowie die Berichterstattung deutscher, türkischer und arabischer Fernsehsender ausgewertet. Darüber hinaus wurden Gruppen- und Einzelinterviews mit Jugendlichen geführt. So hofften die beteiligten Psychologen, Soziologen und Kommunikationswissenschaftler, Aufschluss über die Rolle von Medien bei der Radikalisierung von jungen Muslimen zu erhalten.

Eine Hinwendung zur Herkunftskultur und zur Religion betrachten Frindte und seine Kollegen dabei nicht per se als problematisch. Muslime radikalisierten sich eher, wenn sie den Bezug zur Herkunftskultur verlören, aber nicht von der neuen Gesellschaft aufgenommen würden, so ihr Fazit.

Schwer wiege daher, dass sich viele Muslime von deutschen Medien als Gruppe diskriminiert fühlten. Denn gemein sei allen Generationen von Muslimen in Deutschland, dass sie unter einer Gleichsetzung ihrer Religion mit dem Terrorismus leiden.

Den deutschen Medien wird ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Sie berichten aus Sicht der meisten Befragten zu negativ und undifferenziert. Obwohl sie ihre nichtmuslimischen Mitbürger oft als distanziert und abweisend erleben, fühlen sich die meisten Muslime in Deutschland aber dennoch wohl.

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