Die Treppe: Schwestern im Geiste

Die Treppe des taz Neubaus ist mehr als ein bloß funktio­nales Bauteil – vielmehr ist sie raumbildende Skulptur, ein Ort des Sehen und Gesehenwerdens. Sie choreografiert und strukturiert die Bewegungen innerhalb des Gebäudes und möchte den Zusammenhalt der tazler stärken.

Bild: Rory Gardiner

Text: Felix Yaparsidi, Projektleiter bei E2A Architekten 

 

Wenn du dich fragst, wie's um deine Zeitung bestellt ist,

achte bei Treppen auf das Steigungsverhältnis.

Denn auf dem Weg in den taz-Redaktionsraum

stört dich die gestrige FAZ-Reaktion kaum.

 

Dein Artikel hat polarisiert, in Teilen verstört,

in einer Zeitung, die Bevölkerungsteilen gehört.

Du steigst langsam empor und denkst ganz beiläufig:

Ist das jetzt ein- oder zweiläufig?

 

Und zwischen Tweets und zwischen Genossen

und zwischen den Zeilen und Zwischengeschossen

und zwischen Krawallen und zwischen Protesten

genießt du den Plausch auf den Zwischenpodesten.

Treppe über alle Geschosse Bild: Yasu Kojima

 

Lass den Monitor los, ein bisschen Bewegung!

Eine Treppenskulptur geformt für Begegnung.

Ein Betonbogen spannt, der andere hängt.

Auf und Ab für den, der anders denkt.

 

„Was wäre, wenn ich einen Grund zur Flucht hätte?“

Dein Blick schweift ab auf die Außenfluchttreppe.

Im Vergleich zu ihrer Schwester, das graue Mäuschen,

doch besonders einladend für das Raucherpäuschen.

 

Modell der Haupttreppe Bild: E2A

Im Hof sieht man sie aus dem Schmutz aufragen,

geformt durch Berliner Brandschutzauflagen.

Zwei einläufige Treppen durch Streben verwoben.

Verstellen des Fluchtwegs? Selbstredend verboten!

 

Auf dem Balkon sitzt ein Kollege und raucht Kette

und blickt auf den Zwilling der grossen Haupttreppe.

Die eine festlich geschwungen für den Flaneur,

die andere pragmatisch für die Feuerwehr.

 

Beide eigenständig, doch im Geiste verwandt.

Du stolperst. Fast gestürzt. „Scheiße verdammt!“

Dein Arbeitsalltag neigt sich langsam dem Ende

und du faltest schweigend und achtsam die Hände.

 

Du steigst hinab über den roten Läufer,

an der Bar gute Stimmung, keine halbtoten Säufer.

Du bist in Gedanken noch beim barocken Antritt,

als dich jemand von hinten auf dem Barhocker antippt.

 

„Bist du im VW-Vorstand oder Aldi an der Kasse,

hast fast nichts zum Leben oder genug zum verprassen?

Selbst wenn du im Boot bei deinem Schlepper sitzt

bleibt uns wenigstens der gepflegte Treppenwitz.“

Blick vom Redaktions- und Konferenzraum zur Treppe Bild: Rory Gardiner