Die Wahrheit: Wolle hat die Faxen dicke

Der Machtkampf beim „Spiegel“ spitzt sich zu - nicht nur Wolfgang „Wolle“ Büchners wallendes Haar ist in Unordnung geraten...

„Wolle“ Büchner kann es auch mit den Händen kaum fassen, wie ihm beim „Spiegel“ übel mitgespielt wird. Bild: dpa

Jetzt reichte es aber! Wolfgang „Wolle“ Büchner knallte den vergoldeten Telefonhörer auf die platinüberzogene Gabel des Louis-quatorze-Telefonapparats vor ihm auf der nashornledernen Schreibtischunterlage, ehe er mit der anderen Hand das Gespräch auf seinem iPhone wegdrückte. Ganz schön umständlich, aber so machte man das nun mal beim Spiegel. Wenn der teure alte Apparat schon mal da war, musste man wenigstens so tun, als würde man ihn hin und wieder benutzen, ganz gleich, wie ineffektiv und albern das aussah.

Wolle Büchners Augen verengten sich zu Schlitzen, ja zu Lüftungsschlitzen, als ihm auf einmal die Parallele aufging. Der teure alte Apparat – haha! Der bevölkerte hier ja das ganze Haus, war regelrecht mit den Schreibtischen verschweißt, in den Wänden festgeschraubt und gleichfalls zu nichts zu gebrauchen! Wenn er, der er in einem früheren Leben immerhin Chef der renommierten Presseagentur dpa gewesen war, wirklich richtige Nachrichten in die Welt setzen wollte, musste er sich des schlanken, modernen und digitalen Kommunikationsmittels Spiegel Online bedienen, das er gottlob auch noch befehligte.

Aber was hieß in diesem Tollhaus schon „befehligen“? Mit zweien seiner erbittertsten Gegner im papierenen Spiegel hatte er soeben telefonische Personalgespräche geführt: mit Armin Mahler, Chef der hauseigenen Kellerwirtschaft, und mit Lothar Gorris, Leiter der euphemistisch „Kultur“ genannten Kleinkunstbühne in den Katakomben daneben – Namen, die draußen in der Welt niemand kannte.

Hier jedoch waren sie zwei große Nummern, die den gesamten Kollegenkreis in der Hand hatten. Mit irgendeinem Geheimwissen hatten sie zweitausend Printredakteure gegen ihn und seine bescheidenen Umbaupläne aufgehetzt, bis dieser enthemmte Mob die Unverschämtheit besaß, in aller Öffentlichkeit seinen, Wolle Büchners Kopf zu fordern!

Jetzt den Spieß umdrehen

Vor ein paar Tagen aber hatte er die Spitzenidee gehabt, den Spieß einfach umzudrehen. Die beiden Kerle wollten ihn rauswerfen? Haha, dann würde er jetzt einfach sie rauswerfen! Mit dieser Superstrategie im Kopf hatte er vorhin eine Flasche Schampus entkorkt und nacheinander Mahler und Gorris angerufen, um ihnen seinen endgültigen Lösungsvorschlag zu unterbreiten.

Und dann das: Beide hatten die Stirn gehabt, sein unwiderstehliches Angebot auszuschlagen! Dabei hatte er den Rädelsführern eigentlich nur eine Alternative gelassen: Abfindung in siebenstelliger Höhe oder zwei Wochen Urlaub. Okay, dass die beiden die Abfindung verschmähen würden, war ihm von vorneherein klar gewesen. Als Festangestellte beim papierenen Spiegel hatten sie Geld wie Heu beziehungsweise wie Sand hinter ihren Sylter Reetdachhäusern mit den Porsches davor und mussten das Angebot einer lediglich siebenstelligen Summe als grobe Beleidigung empfinden.

Aber dass die beiden so frech gewesen waren, auch den Urlaub auszuschlagen! Er, Wolle Büchner, würde jederzeit einen zweiwöchigen Urlaub annehmen – aaah … die Beine einfach hochlegen … den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, den ewig nervenden Geschäftsführer Ove Saffe (was war das eigentlich für ein Name?) eine Weile vergessen und die Herren und Damen Gesellschafter auch …

Urlaub mit Folgen

Doch er wusste nur zu gut: Wenn er nach den zwei Wochen dann zurück zur Ericusspitze käme (was war das überhaupt für ein Name? Eigentlich noch bescheuerter als früher Brandstwiete!), dann wäre der Pförtner ausgetauscht, seine Schlüsselkarte würde nirgends mehr passen und da wäre auch kein Büro mehr – genauso sahen ja eben auch seine höchstpersönlichen Urlaubspläne für Mahler und Gorris aus!

Er pumpte missmutig den Rest einer weiteren Flasche Armand de Brignac Gold in seinen Hals, obwohl er jetzt lieber eine Coke Zero gehabt hätte, aber, herrje, so machte man das nun mal beim Spiegel! Und die völlig abgehobenen, überaus hochnäsigen Gesellschafter hatten ernsthaft verlangt, dass er sich mit diesem Natterngezücht zusammenraufte, verdammt. Er spürte seine Halsschlagader pochen und sein wallendes Haar in Unordnung geraten. Denen würde er vielleicht mal zeigen müssen, wie zusammenraufen geht. Irgendwann war die Zeit der Demütigungen auch vorbei.

Von einer heißen Wut ergriffen, sprang er so plötzlich auf, dass sein Chefsessel nach hinten kippte. Aber was war das? Nur die Sitzfläche mit der hohen Rückenlehne fiel krachend zu Boden, das fünfarmige Fußkreuz blieb stehen. Die Ratten, diese verdammten Ratten hatten es tatsächlich gewagt: Sie hatten seinen Stuhl angesägt!

Mit einem eiskalten Funkeln in den Augen zog Wolle Büchner aus der Schreibtischschublade eine vollautomatische Beretta 84, die ihm Georg Mascolo dort wohlweislich hinterlassen hatte. Der Stahl fühlte sich gut in seiner Hand an. Der Endkampf konnte beginnen.

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kari

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