Die Wahrheit: Der Herr der Klobrillen

Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Kai "Sauber" Diekmann.

Künftiger Bild-Chef inkontinent!“ Als diese Schlagzeile der Boulevardzeitung Blöd am 28. Juni 1964 im Hause Diekmann einschlug, wuchs den Eltern des tags zuvor geborenen Kai die Empörung lautstark aus dem Hals heraus. Ihr kleiner Stammhalter war ein so rosiges Kind, so herziges Knäblein, so knuddelig gebautes Baby, dass jeder den damals noch sehr kleinen Bild-Macher anfassen mochte, auch wenn man sich hinterher die Hände waschen musste!

Doch die Skandalpresse sollte den langsam in die Höhe wachsenden Lebensweg des jungen Kai weiterhin mit Gift pflastern. Als ruchbar wurde, dass in seinem Elternhaus ein ortsbekannter CDU-Kommunalpolitiker als konservativer Haushaltsvorstand und Erziehungsberechtigter regierte, der seiner Brut sauber gebügelte Werte, eine reinlich geputzte Moral und eine Spur bürgerlichen Anstands einzupauken versuchte, titelte das Schmierblatt Blind: „Kai: Täglich Prügel!“ Das beigefügte Beweisfoto war manipuliert, aber das störte den kommenden Bild-Journalisten naturgemäß nicht.

Der nächste Skandal überrollte den werdenden Bild-Chefredakteur, als das Sensationsblatt Doof die Öffentlichkeit mit dem Aufmacher überrumpelte: „Diekmann ein Hetero?“ Der Hintergrund: Kai Diekmann hatte ein katholisches (!) Gymnasium besucht, danach freiwillig seinen Wehrdienst unter lauter Männern verbracht, sich so beliebt gemacht, dass er sich bis zum Oberleutnant hocheumeln konnte, und die Beziehung sogar nach Dienstschluss als Reserveoffizier weitergepflegt. Als Student schließlich war er in die schlagende Burschenschaft Franconia eingerückt, wo junge Männer es mit langen, harten Säbeln haben. Dass er auch um die Freundschaft des eingefleischten Papstes Ratzinger buhlte, braucht da gar nicht mehr erwähnt zu werden.

Doch dann die Wende: Der heranreifende Bild-Superjournalist bugsierte die Tochter des Verlegers John Jahr junior in die Ehe – also eine Frau! Zwar meinte jeder, dass Diekmann das nur tat, um sich eine Schneise zu den Spitzen der Gesellschaft zu schlagen. Indes nach zwei Jahren die nächste Überraschung: Diekmann gab ihr den Abschiedspass und „legte sich die Klatschkolumnistin Katja Kessler knüppeldick in sein Chefbett, wo er wie zum Beweis“ (so das um keine schmierige Formulierung verlegene Revolverblatt Dreck) vier pottechte Kinder in die Welt brummte.

Auch beruflich kam er flüssig voran, vor allem in der ihm auf den Kopf geschneiderten Bild, zwischendurch auch in der benachbarten Welt am Sonntag, machte kurze Zeit den Ausputzer für die Bunte und arbeitete, anders als die vom Lügenblatt Lump verbreitete Falschmeldung, für die Po-und-Busen-Illustrierte Fick und das Pornomagazin Spritz niemals. Das brauchte er auch nicht, weil er seit Januar 2001 Bild-Chefredakteur ist und seither „zwischen dem Charakter des Blattes und dem seines Machers kein Gramm Spucke passt“, so die Scheißzeitung Stink.

Noch nie musste der notorische Bild-Maniac Kai D. (47) das Leben hinter Gittern schmecken. Wohl aber musste „Deutschlands frechster Gossenjournalist“, wie ihn das Skandalblatt Kotz taufte, schon viele Kübel Schmutz auskosten. Eimer voller Hohn ergossen sich über ihn beispielsweise im Mai 2002, als seine misslungene Gehirnverlängerung publik wurde. Und Wagenladungen voller Auswurf musste er 2010 schlucken, in der Kampagne gegen hochgradige Sozialschmarotzer. „Mehr als Hartz IV – warum?“, stand unter einem Foto von Kai Diekmann im Konkurrenzblatt Pest. In fast 40 Artikeln peitschte die Pest-Zeitung die Emotionen hoch, teufelte zum Beispiel: „Seit 30 Jahren ist Kai D., anfangs Schülerzeitungsredakteur, jetzt Bild, bei der Presse, tut sonst nichts. Trotzdem kann er sich Unmengen an Geld leisten, hat eine dicke Wohnung, fährt ein Auto, das größer als er selbst ist. Müssen ehrlich tickende Arbeitslose und Arme sich das gefallen lassen?“

Heute, zwei Jahre sind die Spree hinabgeflossen, ist das Musik von gestern. Im Frühjahr 2012 schoss Kai Diekmann Christian Wulff vom höchsten Stuhl der Republik; und als Bild dafür den gut riechenden Henri-Nannen-Preis einstrich, schien endlich alles gut zu sein, alle Skandale verziehen und unbekannt verzogen. Kai Diekmann war in Deutschlands Mitte angekommen, „heulte vor Freude. Und löste seine Wette ein, lief splitterfasernackt durch die Springer-Chefetage – nur mit einer Klobrille um den Hals“, so das Drecksblatt Rotz. Es war natürlich eine aus der Luft gegriffene Ente, weshalb der Bild-Profi Diekmann nichts daran auszusetzen hatte.

Dann doch der Schock: „Diekmann muss weg!“, schlagzeilte die Gossenzeitung Müll Anfang Juni 2012. Was war geschehen? Ausgerechnet die schon zitierte Springer-Chefetage hatte alle Daumen über ihn gesenkt und beschlossen, ihn ab Herbst des gleichnamigen Jahres im Silicon Valley abzustellen, um ihn möglichst lange den Umgang mit dem Internet des Jahres 2050 bimsen zu lassen. Ätzte Müll schadenfroh: „Kai Diekmann für Bild gestorben!“

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