Die Wahrheit: Das perfekte Retro-Verbrechen

Es gibt so viele schöne altmodische Schurkereien. Und erstaunlicherweise fallen auf die Ganovenstücke immer noch Menschen herein.

Leider ist der Begriff „Maskenmann“ momentan schlecht konnotiert: Er gehört zu einem laufenden Verfahren gegen einen mehrerer brutaler Überfälle angeklagten Berliner und fällt somit für meine Lieblings-Retroverbrechensvorschläge flach.

Dabei hatte ich so hübsche Ideen für ihn: Der „Maskenmann“ sollte eine schwarze Panzerknackermaske tragen, mit einem aus Seife gefertigten Walther-PPK-Modell einen wohlhabenden Kaufmann entführen und mit schnarrender Sechziger-Jahre-Stimme auf den Polizeianrufbeantworter sprechen: „Die Überrrgabe der Lösegeldsumme von 5.000 Marrrk soll um Mitterrrnacht an den Bahngleisen erfolgen“.

Nach der verpatzen Aktion würden Reifenspuren von einem Opel Kadett B entdeckt, die verbesserte 45-PS-Variante, die eine Verfolgungsjagd minimal interessanter machte.

Später würden sich der Kaufmann und der Maskenmann in der Einsamkeit der Schrebergartenlaube anfreunden und merken, dass sie sich nicht so unähnlich sind. Und am Ende bekommt der Maskenmann noch eine Maskenfrau – das freche, just dem Backfischalter entwachsene Töchterlein des Kaufmanns, das die skandalöse Verbindung zur Austragung eines Vater-Tochter-Pubertätskonflikts nutzt.

Aber das geht jetzt nicht mehr. Glücklicherweise gibt es noch mehr Retroverbrechen. Der in Polizeiakten unter dem Namen „Hausfreund“ geführte Staubsaugervertreter zum Beispiel, der es schafft, seine Geräte auch Menschen mit Altbauparkett aufzuschwatzen. Und sich dann, während die ahnungslosen Gastgeber selbstgemachte Limonade aus der Küche holen, am Schmuckkästchen zu schaffen macht.

Oder die als „Fräulein Langfinger“ geführte clevere Taschendiebin, die potenzielle Opfer durch das Tragen kurzer Röcke verwirrt, bevor sie mit einem Heimlichgriff das Portemonnaie aus der Jackettinnentasche herauszaubert. Geübt hat sie vorher jahrelang an einer anzugtragenden Schaufensterpuppe, an der Glöckchen hängen.

Vor allem letztere Retroverbrecherin wird durch die momentane Bargeldlos-bezahlen-Diskussion um ihre Existenz fürchten müssen. Denn Kartenklauen ist nicht der wahre Jakob, wenn man in einem handwerklich derart anspruchsvollen Verbrechen wie dem Taschendiebstahl geschult ist. Chicago May, die 1870 als Mary Anne Duignan geborene „Queen of Crooks“, eine jahrelang weltweit erfolgreiche Taschendiebin, könnte davon ein Lied singen, und es klänge vermutlich auch noch wunderbar – Frau Duignan war Irin.

Hochstapeln dagegen stirbt nie aus. Auch heute noch fliegen regelmäßig falsche Ärzte, Priester, Piloten oder Millionenerben auf, die mit Kartoffeldruck Namen wie „J. Clark Rockefeller“ auf Visitenkärtchen drucken und damit Bank- und Millionärsvillentüren öffnen, als ob es das Internet nie gegeben hätte. Das Retroverbrechen ist also eine Sparte mit Zukunft. Ich werde mich mal ein wenig in javanesischem Schleiertanz üben. Sollten Teint oder Talent fehlen, mache ich das mit Enthusiasmus wett.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.