Die Wahrheit: Barschels Bächlein

Deutsche Ehrenstätten: Wo es am schönsten ist, Politikern zu gedenken. Zum Beispiel am Gustl-Lang-Felsen im Oberpfälzer Wald.

Tief im Oberpfälzer Wald wird der große bayerische Politiker Gustl Lang felsenfest gewürdigt. Foto: Stefan Wirner

Idyllisch schlängelt sich der Zottbach durch den Oberpfälzer Wald. Die Gegend ist wie von der Welt vergessen, die Menschen sind ursprünglich und schweigsam, sie interessieren sich nicht für irgendwelche Krisenherde und sind stolz auf ihre Heimat. In der Nähe des Zottbachs liegt das berühmte Zottbachhaus, eine Gaststätte mit einladenden Fremdenzimmern und einem Reiterhof. In dieses Wirtshaus hatte einst der große bayerische Politiker Gustl Lang eingeheiratet, und der Ort wurde zu einer Art oberpfälzischem Wildbad Kreuth.

Nicht-Bayern dürfte der Name Gustl Lang (sprich: „Gustllang“ oder auch „Langgustl“) kaum mehr etwas sagen, im Freistaat aber ist der Mann eine Ikone erfolgreicher weiß-blauer Politik. Während der Zeit seines Wirkens hatte er nahezu jedes Amt inne, das von der CSU an ihre Parteisoldaten verliehen wird: Er war Innenminister, Justizminister, Wirtschafts- und Verkehrsminister, daneben auch noch Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag. Er war bedingungsloser Verfechter des seinerzeit geplanten Baus der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf und Befürworter der A 93, die heute durch das bayerisch-tschechische Grenzland führt. Aus jener Zeit stammt auch eine seiner Dalai-Lama-Weisheiten, die er auf Bürgerversammlungen den Autobahngegnern zurief: „Was nützt einem die schönste Natur, wenn man nicht mit dem Auto hinfahren kann?“ Kein Wunder, dass im nahe gelegenen Weiden in der Oberpfalz im hypermodernen Kongresszentrum ein Saal nach Gustl Lang benannt ist.

Denkmal für Allround-Ehrenmann

Aber damit nicht genug. Denn die Einheimischen erinnern nicht nur mit einer Räumlichkeit an diesen Allround-Ehrenmann, sie haben ihm ein weiteres, ein wahrhaft schwerwiegendes Denkmal gesetzt. An den Ufern des Zottbachs wurde dem bayerischen Rekordminister ein Felsen gewidmet. Der Gustl-Lang-Felsen.

Im ersten Moment könnte man meinen: Unfassbar! Unglaublich! Und auch irgendwie ungerecht! Denn wenn nach Gustl Lang ein Felsen benannt ist, was sollte man dann nach Franz Josef Strauß, dem ewigen Landesvater, benennen? Blieben, um die Größenordnung zu wahren, denn der nach ihm benannte Flughafen München „Franz Josef Strauß“ ist nicht groß genug für ihn, letztlich nur die Alpen – die Franz-Josef-Strauß-Alpen. Und wenn FJS die Alpen kriegt, was machen wir dann eines Tages mit Helmut Kohl? Deutschland, ach was, ganz Europa müsste umbenannt werden – in Kohlland oder Kohltinent. Für Gerhard Schröder hingegen dürften bereits Teile der kasachischen Steppe reserviert sein.

Doch mit etwas Distanz betrachtet, ist dieses granitene Erinnerungsstück inmitten des Oberpfälzer Walds vielleicht gar nicht so einzigartig, wie es zunächst scheint. Womöglich gibt es ähnliche Denkmäler in vielen Regionen unseres Landes – im Taunus genauso wie im Harz oder im Sauerland. Vielleicht liegt in irgendeiner vergessenen Einöde ein Acker, der nach einem ehemaligen Bürgermeister benannt ist, der sich für Heimat und Partei aufgeackert hat? Mag sein, dass es in dem einen oder anderen Wäldchen ein sanft murmelndes Bächlein gibt, das an einen verstorbenen Gemeinderat erinnert, der für seine politische Gewandtheit, sein kluges Mäandern berüchtigt war. Warum nicht?

In Vergessenheit geratenes Politgenie

Und wer weiß, vielleicht gibt es irgendwo im Hessischen einen verkarsteten, zackigen Manfred-Kanther-Steinbruch? Denkbar wäre allerdings auch ein pittoresker Fischweiher hoch droben im Norden – benannt nach Uwe Barschel. Vielleicht schwimmen kleine Entchen darauf herum, und ein Schild am Rande des Weihers erinnert an die Leistungen eines Politgenies, das allzu schnell in Vergessenheit versank.

Gerüchten zufolge soll es irgendwo in Nordrhein-Westfalen sogar eine Blumenwiese geben, die Jürgen W. Möllemann gewidmet ist. Kein Schild erinnert hier an den Politiker, friedlich und unschuldig liegt der Flecken deutscher Erde da im Sonnenlicht. Nur für den, der mit einer Cessna darüberfliegt und hinuntersieht, bilden sich zwei Ziffern im Gras: 1 und 8.

Wer der treue Gärtner ist, der sich hier sorgt, dass ein eifriger Querdenker samt seinem Projekt nicht völlig vergessen wird, wissen wir nicht. Vielleicht weiß es Gustl Lang.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.