Die Wahrheit: Bohei um den Nebbich

Amtlich nicht anerkannte Verbalien sind hier nun endlich erfasst. Was nicht im Duden steht, kann trotzdem in aller Munde sein.

Lachendes Clownsgesicht.

Im Wanderzirkus ist alles paletti Foto: reuters

Können Sie Deutsch? Dann wissen Sie ja, was „dahlen“ und „finkeln“ bedeuten, was „pimpeln“ ist (nein, nicht „pimpern“!) und was „boll“ sein kann, was man einen „Kinkel“ nennt und was unter einer „Pfülbe“ zu verstehen ist; und weil Sie wissen, dass Schnepfen quorren, wissen Sie selbstverständlich auch, was Elche tun: möhren.

Nur mit „toll“, „geil“ und „okay“ kommt man eben nicht überall durch. Dölmern, Doofmutzen und Deppos mag ihr nicht gerade bomfatzinöser Wortschatz ja genügen. Diese Lackel und Tussis, Knispel und Schlunzen, Hachos und Siftel, Nulpen und Dussel sind halt luschi – sollen sie sich doch ihre Zeit mit Bunga-Bunga vertreiben! Wir Piesepampel mit zu viel Grips im Nischel machen deshalb keinen Bohei … Stattdessen müssen wir mal wieder nebbich seriös werden und uns ratzfatz mit Blabla befassen:

Viele, sehr viele Wörter hat die deutsche Sprache, darunter kurze („na?“) und lange („Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän“), laute („Donnerlittchen“) und lustige („Krambambuli“), neue („Bufdi“) und alte („mölke“), kindliche („eiapopeia“) und erwachsene („Vollhete“). Wie viele es sind, weiß niemand. An die 300.000 dürften es sein, wenn man Ortsbezeichnungen, Flurnamen, Fachbegriffe, Fremdwörter und, jo mei, auch Dialektausdrücke fei dazuzählt. Auch kann niemand vorhersagen, welche beim Sprechen oder Schreiben aus der Lamäng zusammengesetzten Wörter nicht bloß rammpamm gebildet und ruckzuck wieder vergessen werden, sondern eines Tages als feste Komposita den Wortschatz schnurzpiepegal bereichern. Der täglich in den Verkehrsmeldungen zu hörende „Spanngurt“ steht nach wie vor nicht im Duden, während der „Buschklepper“ aus der jüngsten Ausgabe gestrichen wurde – der sinngleiche „Strauchdieb“ blieb erhalten.

Ist, was weg ist, weg, also futsch, ja „futschikato“ (vom italienischen „fuggito“)? Nö. Denn was nicht im Duden steht, ist deshalb nichts weniger als ratzekahl verloren.

„Bohei“ oder „Buhei“?

Kapito? Dann lesen Sie weiter, denn dieser Artikel will jetzt nichts mehr, als doch Bohei machen und ein wenig Etymologie treiben: Manche schreiben den „Bohei“ ja „Buhei“, weil der aus „buh!“ und „hey!“ zusammengefummelt sein soll. Oder das Wort könnte aus dem Niederländischen eingewandert sein, wo das Wort „poeha“, früher „boeha“ geschrieben, Lärm, Tumult, Aufsehen bezeichnet. Nur, woher hat das Niederländische es? Vielleicht aus dem Jiddischen: Das auch „Behei“ geschriebene Wort hätte dann mit „behelo“ zu tun, was „Schrecken“ bedeutet und von hebräisch „bohu“ abstammt, der „Leere“, die den sprichwörtlichen Horror Vacui auslöst und unter Umständen ein Tohuwabohu entfesselt.

Womöglich ist der Ursprung tatsächlich im Orient zu suchen, wobei außer den Israeliten die Kopten infrage kommen, deren Ritualsprache das Boheirische ist. In der Religion wird ja aus Prinzip viel Lärm um nichts gemacht.

Wir müssen mal wieder nebbich seriös werden und uns ratzfatz mit Blabla befassen

Das Wort hätte demnach einen langen und interessanten Weg zurückgelegt. Etymologie ist eben nicht pillepalle – ein Wort, das ebenfalls eine Verwandlung durchgemacht hat. Zugrunde liegt das hebräische Wort für Pfeffer, „pilpul“. Im übertragenen Sinn bezeichnet man damit eine kluge Interpretation der Bibel oder des Talmud – aber der Rabbi konnte seine Analyse auch mit zu viel Scharfsinn würzen, so dass sie unbrauchbar, nutzlos, pillepalle war. Nebbich!

Inzwischen sieht man klarer

Im Duden steht „pillepalle“ nicht, obwohl das Wort nebbich welcher ist. Letzteres hingegen wird mit der Bedeutung „wenn schon!; was macht das!“ geführt, was nebbich ausreicht. „Nebbich“ kann außerdem „schade“, „leider“, „keineswegs“, aber auch „fürwahr“, also schier alles und nichts bedeuten. Seine Herkunft war lange unklar. Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch und Tschechisch waren die Favoriten. Inzwischen sieht man klarer und deutet auf jiddisch „nebech“ (“armes Ding“) aus gleichbedeutend polnisch „nieboga“. Als Substantiv hat der Nebbich (“unbedeutender Mensch“) auch im Deutschen seinen Platz; und die Interjektion besagt ja meist, dass etwas nebbich unwichtig ist.

Große Theorien gab es auch für die kleinen Kinkerlitzchen. Man wies aufs Französische („quincaillerie“: Haushaltswarengeschäft) und Sorbische („kónturlica“: Stechmücke). Dabei liegen das mitteldeutsche Dialektwort „ginggeln“ („baumeln“) und die „Litze“ viel näher: Einen Kopfputz, der „mit Ginkerlitzgen behangen“ war, beschrieb 1775 der „Teutsche Merkur“. Das Verb „ginggeln“ ist Ihnen sicherlich bekannt, genauso wie „kopern“, „schlamig“ und „Botzen“, „krutz“ und „Nuckinucki“. Nein? Richtig, diese Wörter gibt es nicht. Obwohl … schauen Sie besser mal nach!

Und, alles paletti? Dieser Ausdruck hat nichts mit Paletten zu tun, sondern stammt aus der Welt der Schausteller. Wenn der Wanderzirkus sein Zelt aufschlägt, verankert er es im Erdboden mit Heringen, Pflöcken, Pfosten: Pflock heißt italienisch „paletto“. Erst wenn alle „paletti“, so der Plural, in den Boden gerammt sind und das Zelt aufgespannt ist, geht der Zirkus los. Oder auch: der ganze Bohei.

Und damit: Basta!

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.