Die Wahrheit: Blubbernde Bullenpisse für Berlin

Vom Erfolg seines Fußballclubs RB Leipzig beflügelt, dehnt Red-Bull-Besitzer Mateschitz sein Imperium vom Extremsport in die Extrempolitik aus.

Illustration: Stephan Rürup

Wer hätte das gedacht, als Dietrich Mateschitz Anfang der achtziger Jahre noch ein Leben als nutzlose Werbekreatur führte und nach Fernost aufgebrochen war, um dort gebisslosen Mümmelgreisen die neueste Blendax-Antibelag-Zahnpasta als unverzichtbares Top-Gadget zu verkaufen.

„Ein unbeschreiblich interessanter Markt“, hatte der Chef ihm gesagt und so hysterisch gekichert dabei, und dann saß Mateschitz am Ende eines langen Tages, an dem er sich unentwegt hatte auslachen lassen müssen, in einer Hongkonger Absteige, und es gab nicht einmal ein ordentliches Bier an der Bar. Stattdessen mümmelte er an einer Flasche mit einem klebrigen roten Zeugs darin, das nicht nur aussah wie die Pisse von läufigen Katzen, sondern auch so schmeckte. Mateschitz sann auf Rache.

Sicherlich, der österreichische Tausendsassa hatte halt nichts Anständiges gelernt in seinem Leben, und seine Zunge war so zugerichtet wie ein Wiener Schnitzel, weil er seit Jahr und Tag nichts anderes machte, als Leute so lange zuzusabbeln, bis sie ihm jeden Dreck abkauften, lange schon hätte er deshalb keine Tasse Jacobs Kaffee von einem Becher Katzenurin geschmacklich unterscheiden können, aber er würde es schon noch allen zeigen.

Plörre gegen Kakerlaken

„Bäh, das ist ja wirklich ekelhaft“, dachte er, als er mit dem lauwarmen Drink kräftig gurgelte, um den nicht minder scheußlichen Zahnpastageschmack endlich loszuwerden, da kam ihm plötzlich die Idee: Er müsste nur diese faulige Plörre als hippes Zeitgeistgetränk verticken! Er musterte den Schriftzug auf der Flasche: „Krating Daeng“. „Das heißt roter Bulle“, kicherte der Asiat hinter der Bar irre, „altes Hausrezept von meiner Oma. Ist das Einzige, was wirklich hilft gegen Kakerlaken. Die fallen tot um, sobald sie das Zeug riechen!“ Da wusste Mateschitz, dass er einen Schatz in seinen Händen hielt. Freudig erregt kaufte er die Rechte an dem Gesöff.

5,9 Milliarden Dosen (jährlich), ein paar Stratosphärensprünge und einige Formel-eins-Siege später hat Mateschitz es jetzt endlich geschafft. Seine roten Bullen stehen auf dem Logo von Rasen Ballsport Leipzig, und sein Rasen Ballsport Leipzig steht an der Spitze der Fußballbundesliga.

Sicher, es gibt auch Kritik: „Die haben sich ihre Erfolge doch nur mit wahnsinnig viel Geld erkauft“, beschwert sich etwa Uli Hoeneß. Bitter fügt er an: „Und ehrlich verdient hat der seine Kohle garantiert nicht, glauben Sie mir!“ Fan-Vereinigungen beklagen vor allem den Verlust von Fußballkultur. „Haben Sie schon mal versucht, sich mit Red Bull zu besaufen?“, fragt etwa Matthias Hörstmann von 11 Freunde, „Ich weiß wirklich nicht, was so ein Getränk beim Fußball zu suchen hat! Und ich habe es noch und nöcher ausprobiert: Ich war schließlich lange genug für das Catering bei RB Leipzig verantwortlich. Aber das schmeckt einfach wie Katzenpisse. Da kann man ja gleich Kölsch trinken!“

Standortnachteil Sachsen

Dietrich Mateschitz aber ficht das alles nicht an. Dem Handelsblatt gegenüber sagte er: „Der einzige Unterschied zwischen dem FC Barcelona, Bayern München und RB Leipzig ist in 500 Jahren der, dass diese Klubs 600 Jahre alt sind und wir 500. Warum sich manche Leute echauffieren und dafür sind, dass sie dagegen sind, weiß ich nicht.“ Bescheiden war Mateschitz schon immer eine Zier, da ist er sich trotz seines Reichtums treu geblieben.

Überhaupt: Dass er durch Red Bull zum Multimilliardär und zum reichsten Mann seines Landes wurde, spielt der zurückhaltende Sportsfreund charmant herunter: „Ja, wissen Sie, der reichste Mann meines Landes, was heißt das schon? Das ist doch nur Österreich! Jeder Trottel könnte zum reichsten Mann Österreichs werden, da ist doch gar nichts dabei.“ Da hat er natürlich völlig recht. Er ist eben ganz natürlich geblieben!

Trotzdem denkt der rüstige 72-Jährige noch nicht daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Schließlich verbleiben genug Herausforderungen, die es anzugehen gilt. So strahlend RB Leipzig auch dastehen mag, der Standort seiner Red-Bull-Arena, das weiß auch Mateschitz, bedeutet alles andere als gute PR: Sachsen. Das marode Zonen-Mordor sorgt beständig für negative Schlagzeilen, ist einfach schlecht für das Image seiner Marke, und da hört der Spaß selbst für den sympathischen Geschäftsmann auf. „Schauen Sie doch allein mal auf die Polizei hier – wie sollen denn da meine Bullen mit positiven Vibes rüberkommen? Oder die sächsische Justiz: Wie soll jemand auf dem Platz unseren Schiris vertrauen, wenn an den hiesigen Gerichten nur Typen herumsitzen, die man nicht mal ein A-Jugend-Spiel pfeifen lassen könnte?“

Aber zum Glück weiß Mateschitz, wo deren Autos stehen, denn der pfiffige Unternehmer hat längst vorgesorgt und das ganze Bundesland einfach aufgekauft. Mit bewährten Methoden wird er es schaffen, den Freistaat wieder in die erste Liga zu bringen. Dafür muss er sich allerdings zunächst von den personellen Altlasten trennen.

Drei Bettpfannen Sangria

Ein spektakulärer Transfer ist ihm bereits gelungen: Lutz Bachmann spielt ab dieser Saison auf Teneriffa, gegen eine Ablösesumme von drei Bettpfannen voller Sangria und einer CD „Weihnachten mit Roland Kaiser“ konnte er erfolgreich nach Spanien abgestoßen werden. Derzeit laufen Verhandlungen mit Wladimir Putin, ob Russland nicht die verbleibende Restbevölkerung aufnehmen könne, nachdem diese auf verschiedenen Veranstaltungen den Wunsch nach einer größeren Nähe zu dem russischen Superstar geäußert hatte. Der ursprüngliche Vorschlag „Merkel nach Sibirien, Putin nach Berlin!“ habe sich aber als derzeit nicht praktikabel erwiesen.

Im Wesentlichen nämlich deshalb, weil Mateschitz selbst nach Berlin will. Nach seinen Erfolgen im Extremsport reizt ihn nun auch extreme Politik.

Da orientiert der Österreicher sich ganz an seinem etwas finanzschwächeren Milliardärskollegen Donald Trump. „Das Startrecht der SPD für die nächste Bundestagswahl war billig zu haben“, verrät Mateschitz seine Pläne für das kommende Jahr, „und wer mit dem SSV Markranstädt einen erfolgreichen Fußballverein aufgebaut hat, der kann auch aus den Sozialdemokraten eine richtige Partei machen. Außerdem passt der aktuelle Vorsitzende Gabriel natürlich sehr gut zu unserem Logo, das ist ideal für die Corporate Identity – mehr Red Bull ist mit einem echten Menschen kaum darstellbar. Einen geeigneten Kanzlerkandidaten haben die ja sowieso nicht, das übernehme ich einfach selbst. Traditionell sind österreichische Politiker ja als Führungspersonal in Deutschland äußerst beliebt“, scherzt Mateschitz bestialisch.

Olé, RB Deutschland

Bald könne man dann auch an einen Anschluss nachdenken, wichtig seien dabei natürlich vor allem die Namensrechte. Aber RB Deutschland sei ja letztlich keine große Umstellung. „Klar, es wird wieder Kritik geben. Aber der einzige Unterschied zwischen Frankreich, Großbritannien und RB Deutschland ist in 1.000 Jahren der, dass diese Länder von der Landkarte getilgt sind und wir halt 1.000 Jahre alt. Warum sich manche Leute echauffieren und dafür sind, dass sie dagegen sind, weiß ich nicht.“ Wir wissen es auch nicht und wünschen dem sympathischen Familienunternehmer alles Gute für die Zukunft.

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