Die Wahrheit: Riesenschriften und Zombiezeichen

In der U-Bahn treiben die Sitznachbarn seltsame Dinge auf ihrem Smartphone. Und bald tippen sie nur noch mit ihrem Hirn – meint Mark Zuckerberg.

Wann immer ich Fremden in der U-Bahn auf ihre Handys spicke, spielen die ein Spiel mit knallbunten Bällen, die man ordnen muss. Ob alt oder jung, männlich, oder weiblich, lange künstliche Pornonägel oder kurze abgeknabberte: sieben Stationen lang werden konzentriert bunte Bälle auf andere bunte Bälle geschoben. Das erinnert mich stets an die Ratte, die den anderen Ratten erzählt, dass sie die Menschen dressiert hat: Wenn sie die Klingel am Ende des Labyrinths läutet, bringt ihr ein Weißkittel etwas zu essen.

Aber ich will ja nicht meckern. Bälle auf Bälle schieben erscheint mir interessanter als das, was ich manchmal an Nachrichten mitlese. Und die sind wiederum immer noch besser als Fotoalben anschauen zu müssen, so wie gestern bei einer jungen Frau, deren Freund aussieht wie eine ganz armselige, ältere Version von Tom Hiddleston, als ob der liebe Gott quasi mit dem Freund der U-Bahn-Nachbarin zunächst einen Prototyp geschaffen und die ganzen Feinheiten im Hiddleston-Gesicht erst in der Endversion herausgearbeitet hat. Ich musste mich zusammenreißen, um es nicht zu kommentieren.

Insofern habe ich nichts gegen die Idee, die Mark Zuckerberg soeben losließ: sämtliche Handys und Displays durch VR-Datenkontaktlinsen überflüssig zu machen, auf denen man permanent mit jedem verbunden ist und so den ganzen Tag über kommunizieren kann. Ich finde das hervorragend und freue mich auf stille U-Bahn-Wagen mit weggetretenen Menschen, die ins Nichts schauen …

Man kann, sagt der Visionär Zuckerberg, durch ins Gehirn gepflanzte Elektroden die Nachrichten mit dem Hirn tippen. Genau wie in dem Witz mit dem Japaner, dem Amerikaner und dem Deutschen in der Sauna, die ihre Handys in der Hand oder im Zahn eingebaut haben, und in dessen Pointe der Deutsche furzt und sagt: „O, ich glaube, ich kriege ein Fax!“

Es stehen herrliche, ruhige Zeiten an, mit immer weniger Menschen – die Unfallrate erhöht sich bereits momentan enorm aufgrund der „Smombies“ der Smartphone-Zombies, die ständig vor Autos laufen, weil sie auf ihr Display anstatt auf die Straße starren. Nicht auszudenken, was passiert, wenn Menschen überhaupt nicht mehr sehen, wohin sie laufen, weil sie ein blinkendes Terminator-Display vor der Nase haben, auf dem steht: „;) :) ihdl bis bald!!!!“, und das zufällig genau den todbringenden elfenbeinfarbenen Raser verdeckt.

Zudem bin ich aus persönlichem Interesse neugierig, wie Zuckerberg das mit den VR-Datenkontaktlinsen und fehlsichtigen Menschen lösen will. Gibt es dann auf multifokalen Kontaktlinsen (innen Nahbereich, außen Fernbereich) auch unterschiedliche Datendisplays?

Ich werde es nie erfahren. Aber dafür werde ich, nachdem alle Datenlinsenträger bei schrecklichen Unfällen gestorben sind, die einzige Überlebende sein. Und werde mit einem anderen Fehlsichtigen eine neue, friedliche Fehlsichtigen-Dynastie gründen, mit Punkt 72 als Standardschriftgröße. Das wird TOLL.

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kari

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